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news >> 2020 >> 200213_01

13.02.2020

Prozess Nazi-Devotionalienhändler: Umsätze im sechsstelligen Bereich

18 Monate Haft - 88 hätte auch gepasst

Prenzlau (ipr) Am Montag wurde ein uckermärkischer Nazi-Devotionalienhändler vor dem Schöffengericht in Prenzlau wegen Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu 18 Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 48-jährige Angeklagte in 34 Fällen Nachbildungen von Nazi-Devotionalien wie Ritterkreuze, Koppelschlösser, Nahkampfspangen oder SS-Ehrendolche über Auktionsplattformen im Netz wie e-bay verkauft und damit Symbole wie Doppelsiegrunen und Hakenkreuze verbreitet hat. Die Repliken werden einbehalten und das eingenommene Geld aus den Verkäufen in Höhe knapp 3500 Euro wird gepfändet, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Zusätzlich soll Udo W. 1000 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen. Dazu kämen die Gerichtskosten, die nicht gerade unerheblich sind. Aufgrund von Fehlern des Amtsgerichtes bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers für Udo W. gelten sieben Monate der Haftstrafe bereits als verbüßt.


Udo W. in einer Gerichtspause am 18.03.2015foto: ipr

Chronologie

Die Ermittlungen des Landeskri-minalamtes (LKA) begannen 2007. Ein Informant aus der Nazi-Szene hatte dem LKA einen Katalog mit Nazi-Devotionalien zugespielt. Während der Ermittlungen identifizierten die Beamten 650 Kunden des Händlers. Die Preise für die Repliken reichten von 10 bis 45 Euro pro Stück. Die Gelder flossen auf Bankkonten in Görlitz, Gera und Potsdam. Der leitende Ermittler des LKA sprach vor Gericht von einer sechsstelligen Summe, die während der Ermittlungen auf diversen Konten entdeckt worden waren. Das Geld ist allerdings verschwunden.

Im Oktober 2009 informiert die Staatsanwaltschaft in Neuruppin die Öffentlichkeit über Hausdurchsuchungen in sieben Objekten in Templin und in der Gemeinde Boitzenburger Land. Als Hauptbeschuldigter galt damals schon Udo W. Er stand im Verdacht mit seinen Komplizen seit 2004 in erheblichem Umfang den illegalen Handel mit aus der Republik Polen importierten Devotionalien aus der NS-Zeit betrieben zu haben.

Der damals 38-Jährige sollte sogar als Geschäftsführer und Gesellschafter einer polnischen Firma die Repliken zunächst selbst hergestellt haben. Seit der Insolvenz dieser Firma im Jahr 2006 sollten die Devotionalien dann von einer anderen polnischen Firma erworben worden sein.

Im September 2009 hatte das polnische Parlament mit einer Änderung des Strafgesetzbuches die Herstellung und den Verkauf von Gegenständen mit totalitärem Inhalt unter Strafe gestellt. Damit war der bis dahin legalen Produktion von NS Devotionalien und deren Export nach Deutschland ein Riegel vorgeschoben worden.


Aktuelles Angebot im Netz
screenshot: ipr

Erster Versuch

Im November 2011 wurde Anklage gegen Udo W. erhoben. Alle anderen Beschuldigten wurden durch die Ermittlungen entlastet. Ein Jahr später kam es zum Prozess. Das Gericht unterbreitete dem Angeklagten ein Verständigungsangebot. Das sah vor, dass der Angeklagte bei vollem Schuldeingeständnis mit einer Haftstrafe von einem Jahr davon gekommen wäre. Die wäre dann auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden.

Dieses Angebot wurde vom Angeklagten nicht angenommen. Dessen Anwalt schwebte eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen vor. Damit war der Prozess geplatzt.

Zweiter Versuch

Im März 2015 ging es dann weiter. Der Prozess begann mit drei Anträgen der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens. Einmal wegen Verschleppung des Prozesses, dann wegen Verjährung einzelner Delikte und unpräziser Anklageschrift. Alle drei Anträge wurden vom Gericht abgelehnt.


Aktuelles Angebot im Netzscreenshot: ipr

Damals im Zeugenstand der Gründer und Leiter des Theaters Klosterruine Boitzenburg. Er und seine Familie waren ebenfalls von Hausdurchsuchungen betroffen gewesen. Er hatte Udo W. als Ein-Euro-Jobber in seinem Büro angestellt. Kurz darauf soll es zu massiven Kostensteigerungen bei den Internet- und Telefongebühren gekommen sein. Auch soll Udo W. die Identität des Theaterleiters im Netz für seine Geschäfte missbraucht haben. Er schilderte den Angeklagten als einen Rechten, der am Liebsten wieder in Polen einmarschieren würde.

Die folgenden Prozesstage platzen, weil Udo W. wegen Krankheit nicht erschien. Sein Verteidiger vermutete ihn in Spanien. Dem Vorsitzenden Richter platzte der Kragen. Er erließ einen Strafbefehl. Ein Jahr Haft, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht verwarf einen Widerspruch dagegen. Das Landgericht kassierte später den Strafbefehl. Das Amtsgericht musste erneut verhandeln. Trotzdem war eines erreicht: Eine Verjährung der Taten ist ausgesetzt.

Dritter Versuch

Am Amtsgericht in Prenzlau wechseln die Strafrichter. Zwei davon fassen die Anklage "Udo W." nicht an. Erst im Oktober 2018 geht es weiter. Der dritte Versuch ging über 29 Prozesstage und endete diesen Montag mit erneuter Verurteilung. Den Gerichtssaal in Prenzlau hat Udo W. allerdings nie wieder betreten.


Udo W. als Olivenbauerscreenshot: ipr

In all den Jahren soll Udo W. seinen Nazi-Devotionalienhandel nicht aufgegeben haben. Eine erneute Anklage lag schon dem Landgericht Neuruppin vor, wurde allerdings wieder zurückgezogen. Zusätzlich laufen Ermittlungen wegen Volksverhetzung.

Laut Anwalt soll sein Mandant mit Frau und vier Kindern in Spanien als Olivenbauer leben. Recherchen des rbb ergaben, dass er von dort aus mit ungültigen Bio-Zertifikaten Olivenöl in Bio- und Unverpacktläden in Deutschland angeboten haben. Auch in diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin.


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