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news >> 2022 >> 220504_01

04.05.2022

Rassistischer Angriff vor Gericht

Walkürenritt und ein fürsorglicher Vollstrecker

Schwedt (ipr) In Schwedt ist am Montag ein deutsches Pärchen vor dem Schöffengericht zu Haftstrafen von 27 und 12 Monaten verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Rechtsextremen im August 2020 in Angermünde eine 19-jährige Serbin und ihren gleichaltrigen afghanischen Freund auf offener Straße aus rassistischen Motiven verbal und körperlich niedergemacht haben. Außerdem wurden der Frau 3000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Die Anklagepunkte lauteten gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigung. Während die 38-jährige Anne S. vor Gericht ein unbeschriebenes Blatt ist, kann ihr 31-jähriger Partner Andy W. mit zahlreichen einschlägigen Vorstrafen aufwarten.

Während die Mutter zweier Kinder vor Gericht schwieg, lieferte der gelernte Tischler seine Version der Ereignisse. Sie seien mit dem Fahrrad auf dem Heimweg gewesen. Die beiden Kinder waren im Radanhänger. Plötzlich sei seine Freundin mit einer Eisenstange in den Magen geschlagen worden. Ihm wurde mit der Eisenstange das Ellenbogengelenk gebrochen.

Die Opfer

Aus den Schilderungen der Opferseite ergibt sich ein ganz anderes Bild. Das deutsche Pärchen samt Kindern und angeleinten Hund hatte ihre Opfer mit den Fahrrädern überholt. Dann hielten sie an und stiegen ab, um die Fremden zu beschimpfen. Dabei sollen Worte wie "Kanaken, Sippschaft vergasen, wir zahlen für euch, verschwindet von hier, ihr habt hier nichts zu suchen, diese Stadt haben unsere Väter erbaut" gefallen sein.

Während Andy W. sich mit den Afghanen schubste und ihn schlug, ging seine Lebensgefährtin auf die zierliche Serbin F. los. Schubsen, an den Haaren ziehen, zu Boden reißen, der Kopf schlägt auf der Straße auf, auf ihr knien und mit beiden Fäusten das Gesicht traktieren. Während Anne S. die Kontrolle verliert, verliert ihr Opfer das Bewusstsein.

Die Eisenstange

Vater und Mutter F. konnten den Angriff auf ihre Tochter von ihrem Wohnungsfenster aus beobachten. Während sich der Vater auf den Weg nach unten machte, filmte die Mutter Sequenzen des Geschehens mit dem Handy bevor sie ihrem Mann nach unten folgte. Wegen des frei laufenden Hundes greift der Vater zu einer Eisenstange, die er an einer Baustelle findet, sagte er vor Gericht. Er schreit die auf seiner am Boden liegenden Tochter knienden und einschlagenden Anne S., sie solle aufhören. Da dies nicht geschieht, schlägt er sie mit der Eisenstange und stoppt sie auch. Andy W. eilt seiner Lebensgefährtin zur Hilfe und attackiert von hinten. Boxhiebe in den Rücken. Da wehrt sich Vater F. mit der Eisenstange und bricht dem Angreifer das Armgelenk. Gegen Vater F. wird ermittelt. Das Verfahren wird allerdings eingestellt. Eine Notwehrsituation war hier schnell erkannt worden.

Die Folgen

Während die körperlichen Folgen für die Opfer überwunden sind, leidet die heute 20-jährige F. weiter unter Panikattacken. Sie werde nachts wach und ringe nach Luft, schildert die Mutter ihren Zustand im Zeugenstand. Mehrfach habe man sie in die Notaufnahme gebracht. Sie habe Angst, das Haus zu verlassen. Derzeit besuche sie wieder therapeutische Sitzungen.

Kurz nach dem Angriff war sie in stationärer Behandlung, wurde aber nach kurzer Zeit auf eigenen Wunsch wieder entlassen. Die Ärzte schrieben in ihrem Entlassungsbrief von einer komplexen Situation und dass sie nicht die Zeit hatten, das genauer zu ergründen.

Die Ängste von F. führten zum Verlust der Ausbildungsstelle. Und auch in einem weiteren Job fühlte sie sich durch die Kunden fremdenfeindlich behandelt.

Die Verteidiger und das Opfer

Die Anwälte der Angeklagten bissen sich fest an der "komplexen Gesamtsituation" um die Folgen des Übergriffes kleinzureden. Und somit auch den Schadenersatz auf Null zu drücken. Der Verteidiger von Andy W. fragte die junge Serbin ernsthaft, ob sie sich nicht mal überlegt habe, wegzuziehen? Er merkte dabei wohl gar nicht, dass er mit solch einer Frage, die Tat seines Mandanten vollenden könnte: "Haut ab von hier, Kanaken!".

Der Verteidiger Anne S. spekulierte, dass F. die psychologische nur wegen des Prozesses wieder aufgenommen habe. Beide forderten für die Angeklagten Freisprüche.


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