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14.03.2008
Ibraimo Alberto über sein Leben in Schwedt
Stalking gegen Familie des Ausländerbeauftragten der Stadt Schwedt
Schwedt (ipr) Unbekannte haben in der Nacht vom 12. auf den 13. März 2008 den Briefkasten des ehrenamtlichen Ausländerbeauftragten der Stadt Schwedt, Ibraimo Alberto, mit ca. 50 veralteten Exemplaren der NPD-Werbepostille „Märkische Stimme“ verstopft.
Ibraimo Albertos Nachfrage beim Hausverwalter ergab, dass er der Einzige im Viertel war, der mit dieser Gabe bedacht wurde. Das legt den Schluss nahe, dass er deutlich daran erinnert werden soll, dass er und seine Familie nach wie vor unter Beobachtung seitens der rechten Szene stehen und diese wissen, wo dessen Lebensmittelpunkt ist. Herr Alberto ist in letzter Zeit im Rahmen des Bundesprogramms "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" öffentlich sehr aktiv, um über die Gefahren des Rechtsextremismus und Rassismus zu informieren.
Ibraimo Alberto hat folgenden Text über seine Situation in Schwedt geschrieben:
Nächtliche Gedanken – Januar 2008
„Für Menschen mit anderer Hautfarbe ist es ein großer, kaum endender Stress, sich ständig und überall erklären zu müssen. Ununterbrochen muss man wegen verbalen oder tätlichen Angriffen auf der Hut sein. Dadurch kommt es, dass man sich selten unbefangen äußern oder bewegen kann.
Am schwersten jedoch ist es in diesem Fall für Menschen wie mich mit schwarzer Hautfarbe: also für Afrikaner. Man fühlt sich in keinem Augenblick unbeobachtet – und man ist es ja auch nicht.
Einfache Fehler, die ich mache und bei Einheimischen teilweise gar nicht wahrgenommen werden, sind bei mir sofort offenbar.
Ob ich spazieren gehe oder einfach nur einkaufe, ich merke, dass die Leute mich ganz genau beobachten: was ich an habe, ob ich mich auffällig benehme und ein wesentlicher Punkt, dass sie mir nicht in die Augen schauen. Versuche ich, mit ihnen Blickkontakt aufzunehmen, dann schauen sie weg.
Leider gibt es in der deutschen Sprache viele Rassismen, die zu Gewohnheitsworten geworden sind und über deren rassistische und diskriminierende Bedeutung sich kaum jemand bewusst ist. Ich spreche jetzt nicht von solchen pro-faschistischen Akten, dass man z. B. die Nase rümpft und entweder sagt, ich stinke oder „es riecht angebrannt“.
Aber versuchen Sie, sich in meine Lage zu versetzen, wenn jemand neben Ihnen von „einer Ordnung wie bei den Hottentotten“ spricht. 1905 haben deutsche Kolonialtruppen das südwestafrikanische Volk der Namas, das sie mit dem rassistischen Begriff „Hottentotten“ bezeichnet zu 80 Prozent – in Worten noch einmal: zu achtzig Prozent ausgerottet: Männer, Frauen, Kinder, Säuglinge…
Oder eine Person, die im Bäckerladen vor ihnen steht, kauft einen „Negerkuss“ und alle blicken zu Ihnen … Denn jeder weiß, dass der Begriff „Neger“ eigentlich ein rassistischer und diskriminierender Ausdruck ist.
Das Schlimmste aber ist, dass sich alles auch auf meine Familie auswirkt. Ich kann überhaupt nicht mit meiner Familie in meiner Heimatstadt Schwedt spazieren gehen: wegen übelster Beleidigungen ist es so eine Tortour für meine Frau, dass wir gemeinsam nicht mehr ausgehen. Eine deutsche Frau mit ihrem ausländischen Mann – wenn er aus Ungarn oder England oder aus den USA kommt – kann das. Ich nicht!
Meine Kinder gehen bei Veranstaltungen vor und benachrichtigen mich über Handy: „Papa, keine Nazis – du kannst kommen!“ oder „bleib besser zu Hause!“
Politiker werden Ministerpräsidenten durch die Werbung mit ausländerfeindlichen Parolen, andere Politiker deckeln und sagen: all das, was ich erlebe, gibt es doch gar nicht.
Ich frage mich manchmal: was ist das für ein Leben? Wie lange kann ich das überhaupt aushalten? Was kann ich dafür, wer meine Eltern waren und welche Hautfarbe sie hatten?
Ich bin nun mal so, wie ich bin und kann nicht aus meiner Haut und will es auch gar nicht. So wie vermutlich jeder von Ihnen.
Wann, so frage ich mich immer wieder, wann schafft es die deutsche Bevölkerung endlich, sich von solchen primitiven Vorurteilen und Rassismus zu befreien, die anderen gleichberechtigten Menschen das Leben bis zur Unerträglichkeit erschweren?“
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