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07.06.2008
Weitere gerichtliche Aufarbeitung einer Auseinandersetzung im Prenzlauer Pub „Overdick“
Über fliegende und stehende Barhocker
Prenzlau (ipr) Am kommenden Dienstag beginnt vor dem Amtsgericht Prenzlau ein weiterer Prozess um die Aufarbeitung einer Auseinandersetzung im Prenzlauer Pub „Overdick“ aus dem Januar 2007. Diesmal müssen sich das damalige Opfer, der in Prenzlau lebende Iraner Said M., wegen Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt und ein Zeuge, der Said Ms. Version der Vorgänge bestätigte, wegen Strafvereitlung und uneidlicher Falschaussage vor Gericht verantworten.
Said M. wird vorgeworfen, dass er während der Ereignisse im „Overdick“ eine Polizistin gestoßen und sich gegen zwei Polizisten gewehrt haben soll, die ihn festhielten, um ihn zu beruhigen.
Der zweite Angeklagte, Hendrik D., hatte den Vorfall im „Overdick“ in einer Art und Weise geschildert, die gar nicht in dass sonst ermittelte Bild der Polizei passte. Was ihm nun die Anklage wegen uneidlicher Falschaussage eintrug.
Kurz nach dem Vorfall hatte Hendrik D., der bis vor kurzem Ortsvorsitzender der FDP in Prenzlau war und ein Freund des Opfers ist, gegenüber der "Prenzlauer Zeitung" geschildert, was sich an dem Abend aus seiner Sicht zugetragen hatte. „Wir saßen mit Freunden im Pub und haben uns auf einer Digitalkamera Fotos angeschaut. Said kniete sich zwischen zwei Stühle, um besser sehen zu können“. Von allen unbemerkt habe ihm dabei ein bis dahin Unbekannter auf den Unterschenkel getreten, so doll, dass sein Freund sofort aufschrie. Auf Saids Forderung, sich dafür zu entschuldigen, habe der Mann zunächst nicht reagiert, er sei dann aber ausfallend geworden. So nach dem Motto: „Was bist du denn für ein Lockenkopf, wo kommst du überhaupt her? Ich bin ein deutscher Steuerzahler“. Im Laufe der verbalen Auseinandersetzung habe er dann begonnen, auf Said einzuprügeln, wobei ihm noch zwei weitere Männer zur Seite standen.
„Was mich an dieser Tat entsetzt hat, ist die Tatsache, dass sich im Pub gleich Publikum fand, welches die Schläger lautstark anfeuerte“, so D.. Nur das Eingreifen der Polizei habe Schlimmeres verhindert.
Verfahren trennen
Der Anwalt von Said M., Andreas Brandt, hat versucht, die beiden Verfahren wieder zu trennen, da ihm durch die Zusammenlegung mit Hendrik D. ein wichtiger Entlastungszeuge verloren geht. Das Gericht hat diesen Antrag abgelehnt, und Anwalt Brandt hat beim Landgericht Neuruppin Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Er hofft nun auf eine rasche Entscheidung. Dass die bis zum Dienstag kommt, erscheint aber auch ihm als sehr fraglich.
Keine Aufklärung beim Prozess im Januar
Das Verfahren gegen die beiden Uckermärker Mike S. und Heiko P. im Januar diesen Jahres war vom Strafrichter des Amtsgerichtes Prenzlau gegen die Zahlung einer Geldbuße von 500 beziehungsweise 300 Euro vorläufig eingestellt worden.
Der Prozess brachte wenig Klarheit über den Tathergang, förderte aber einige interessante Aspekte zu Tage:
Heiko P. soll lediglich über das Bein des knienden Iraners gestolpert sein. Said M. soll einen Barhocker geschmissen haben. Heiko P. hat Said M. per Kopfstoß niedergestreckt, und Mike S. soll auf ihn eingeschlagen haben nachdem sich die Situation bereits beruhigt hatte. Das war die höfliche Umschreibung dafür, dass zwei Polizisten ihn bereits festhielten als Said M. getroffen wurde.
Das Gericht sah es damals wohl als wenig erfolgversprechend an, die zahlreich geladenen und auch erschienenen Zeugen zu hören. Also einigte man sich zwischen den Prozessbeteiligten Richter, Staatsanwalt, Verteidigung und Nebenklage auf die Anhörung einer einzigen (Kompromiss) Zeugin.
Wenig Erinnerung
Deren Erinnerungsvermögen war im Januar knapp einem Jahr nach dem Vorfall recht löcherig, sodass der Richter ihr mehrfach Vorhaltungen aus dem Vernehmungsprotokoll machen musste. Dabei entstand unter anderem der Eindruck, dass Said M. versucht haben könnte, die Zeugin im Nachhinein zu beeinflussen.
Sie hatte nicht beobachten können, was mit Said Ms. Bein geschehen war. Sie hörte ihn nur laut schreien. Ansonsten beschrieb sie den Konflikt als das gegenseitige Hochschaukeln von zwei Mackern.
Nicht geklärt werden konnte, was wie mit einem Barhocker geschehen war, den Said M. gegriffen und geschmissen haben soll oder auch nicht. Einen Aufprall hatte die Zeugin jedenfalls nicht gehört. „Jemand soll ihn aufgefangen haben“, so die Zeugin. Auf keinen Fall konnte er in Richtung der Angeklagten geflogen sein, da diese laut der Zeugin direkt vor Said M. standen. Ob dies vor oder nach dem Kopfstoß geschah, wurde nicht erörtert. Die Zeugin erinnerte sich plötzlich an einem Mann, der an der Bar saß, den Hocker festhielt und versuchte, den Iraner zu beruhigen.
Zeuge übersehen
Ein Zeuge, der in den Untersuchungsakten der Polizei nicht auftaucht. Auf Nachfragen des Staatsanwaltes nannte die Zeugin sogar den Namen diese Mannes. Es entstand der Eindruck, dass die Polizei bei ihren Ermittlungen in diese Richtung nicht unbedingt konsequent gearbeitet hatte.
Auf alle Fälle wird dieser Zeuge zum Prozess am Dienstag vorgeladen werden und kann vielleicht doch etwas Licht in die Ereignisse bringen.
Völlig ungeklärt für die Prozessbeobachter blieb die Frage, warum sich Mike S. in die Auseinandersetzung einmischte. Aber Einmischen könnte natürlich eine Vorliebe von Mike S. sein. Seltsamer Weise ist nämlich das Kürzel des Mannes, der im Januar letzten Jahres die Gegenversion zur Darstellung des Vorfalles in der "Prenzlauer Zeitung" zum Besten gab, mit dem von Mike S. identisch.
 
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