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news >> 2009 >> 090206_01

06.02.2009

Templiner Mord vor Gericht: Psychiatrisches Gutachten sieht Christian W. als schuldfähig

Ungereimheiten beim Bestimmen der Zeit

Neuruppin (ipr) Der dritte Verhandlungstag des Prozesses gegen die beiden Templiner Rechtsextremisten Sven P. (19) und Christian W. (22) wegen der Ermordung des 55-jährigen Bernd K. in der Nacht zum 22. Juli 2008 lässt sich in drei Komplexe unterteilen: Aussage der beiden Kripobeamten, vor denen Christian W. ein Geständnis abgelegt hatte, Rekonstruktion des Weges zum Tatort und psychiatrisches Gutachten über Christian W.

Insgesamt hatte das Gericht für diesen Verhandlungstag 10 Zeuginnen und Zeugen geladen. Stephanie C., die Freundin von Christian W., ließ sich entschuldigen. Das Ende Januar geborene Kind aus dieser Beziehung sei krank. Da gegen die junge Frau wegen Vernichtung von Beweismittel ermittelt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie überhaupt in den Zeugenstand treten wird. Sie soll die blutverschmierten Hose und Turnschuhe von Sven P. aber auch die Kleidung ihres Freundes in der Waschmaschine gewaschen haben.

Die damals 17-jährige Stephanie C. hatte sich kurz nach der Tat in der Bild-Zeitung zu dem Geschehen in dieser Nacht geäußert: „Ich wurde wach und hörte die beiden tuscheln. Ich bin hin. Plötzlich begann Christian, von der grausamen Bluttat zu erzählen. … Sven hat mit der Tat richtig geprahlt. Er sagte, dass er schon immer mal einen Menschen umbringen wollte.“

Außerdem hätte man sie fragen können, ob Sven P. in jener Nacht wirklich ein Rudolf Hess T-Shirt getragen hat, was gestern trotz intensiver Bekleidungsnachfragen aller am Prozess beteiligten Parteien nicht zur Sprache kam. Insgesamt gab es am gestrigen Prozesstag immer wieder Nachfragen der Nebenklage zur politischen Gesinnung der Angeklagten. Die Zeugen konnten dazu allerdings nur Vages berichten.

Das vorläufige Geständnis

Wie bisher machten beide Angeklagten von ihrem Recht Gebrauch, vor Gericht zu schweigen. Das war bei der polizeilichen Vernehmung von Christian W. am Tag nach der Tat anders. „W. war ausgesprochen gesprächig. Er war fast traurig, als wir die Vernehmung nach acht Stunden abbrachen“, schilderte einer der Vernehmungsbeamten die Situation. W. machte detailliert Angeben zu dem was auf dem Weg zum und am Tatort geschehen sein soll. Jeder Tritt aufs Gesicht, eine Schuhsohle breit zwischen Stirn und Oberlippe, soll von Sven P. gekommen sein.

Allerdings gab es am Tatort und durch die Obduktion Erkenntnisse, die der Ablaufschilderung von Christian W. widersprechen. Christian W. berichtete nichts darüber, dass K. heftigst gewürgt worden war, was zu einem Kehlkopfbruch führte. Stattdessen erzählte er, dass er am Hals des K. den Puls gefühlt habe, um zu überprüfen, ob er noch lebe. Möglicherweise um vorab schon eine Erklärung zu liefern, sollten seine Fingerabdrücke am Hals des Opfers gefunden werden. Außerdem habe er P. davon abhalten müssen, sein Opfer mit einem abgebrochenen Flaschenhals „aufzuschneiden“. Fingerabdrücke von P. fanden sich allerdings auf dem Flaschenhals nach Aussage seines Anwalts nicht. Die waren von einer anderen Person, deren Namen er nicht nannte.

Der Weg zum Tatort

Die erste Frau im Zeugenstand, die 24-jährige Hausfrau Sandra H., war gleich wieder rausgerannt mit Tränen in den Augen. Später erklärte sie ihr Verhalten. Sie habe Schuldgefühle, weil sie damals nicht gleich die Polizei gerufen habe.

Dabei hatte sie eine Allerweltssituation beobachtet. Sie hörte Gebrüll und das Geräusch von zerscheppernden Flaschen. Sie schaute aus dem Fenster und sah drei Männer die Werderstraße herunterkommen. Ein Älterer vorneweg war von einem Jüngeren ohne Brille (Christian W.), der ein Fahrrad führte, vorangeschubst und beschimpft worden. Es fielen Worte wie „Alter Sack“ und „Assi“. Ein Jüngerer mit Brille (Sven P.) und ebenfalls Fahrrad ging schweigend hinterdrein. Vor der Haustür des Wohnhauses fiel der Ältere (Bernd K.) ins Gebüsch. Sie blaffte die Jungen von ihrem Fenster aus an, sie sollten den Alten in Ruhe lassen und nicht so laut sein, weil hier Kinder schliefen. Bernd K. durfte sich daraufhin auf die Hauseingangsstufen setzen und man wartete bis er weitergehen wollte.

Mit ihrer Zeitangabe für das Vorgefallene – gegen 21.15 Uhr - brachte sie die von Polizei und Staatsanwaltschaft rekonstruierten Zeitabläufe jenes Abends gehörig durcheinander. An diesen Zeitpunkt erinnerte sie sich so genau, weil sie zuvor und danach ihrem Freund gesimst hatte und weil der Vorfall sich kurz nach dem Ende einer Vampir-Serie auf Pro 7 ereignet haben sollte. Tatsächlich endete laut TV-Programm des „Uckermark Kurier“ die Folge „Moonlight“ der (Vampir) Serie „Black Crystal“ um 21.10 Uhr. Zu den Lichtverhältnissen sagte die Zeugin, es wäre schon dunkel gewesen.

Um 23:15 Uhr will der aus Richtung Mühlentor kommende 22-jährige Student Marcel G. nur wenige Meter von diesem Ort entfernt auf die drei Männer gestoßen sein. Bernd K. lag am Boden. Das Fahrrad lag auf ihm und Christian W. wollte ihm gerade aufhelfen. Als er zu den drei Männern kam und fragte, ob er helfen könne, wurde dies verneint. Marcel G. begründet das Wissen um die Uhrzeit mit einer kurzen Verabredung, die er um 23:00 Uhr in der Szenekneipe Pub gehabt und er zuvor zwecks Pünktlichkeit auf seine Handyzeit geschaut hatte. Auch er konnte später bei der Polizei genau wie Sandra H. die drei Männer eindeutig identifizieren. Im Gegensatz zu Sandra H. will er allerdings drei Fahrräder bei den Männern gesehen haben.

Dieser offensichtliche Widerspruch wurde ein Stück weit wieder gerade gerückt durch die Aussagen von Melanie K. (21) und Mareike F. (23). Beide waren zwischen 21:00 Uhr und 21:30 Uhr am Rewe-Markt an der Lychener Straße auf Christian W. getroffen. Christian W. hatte etwas von Sven P. erzählt wegen dem er nun eine Gerichtsverhandlung hätte und begleitete die beiden Frauen auf dem Fahrrad Richtung Marktplatz. Beiden Frauen war diese Begleitung sichtlich unangenehm. Als sie nach ca. 500 Metern auf Sven P. trafen, die beiden Männer sich sofort angingen, machten sich die beiden Frauen zügig aus dem Staub. Beide Frauen sagten, es wäre noch hell gewesen. Laut Wetterkarte des „Uckermark Kurier“ war es an diesem Tag bewölkt und regnerisch. Sonnenuntergang war 21:21 Uhr.

Die Aussage der beiden Frauen deckt sich mit den Ausführungen von Christian W. gegenüber den Kripobeamten, sodass man davon ausgehen muss, dass sich Sandra H. geirrt hat und sie ihre Beobachtung mindesten eine Stunde später gemacht haben muss. Vielleicht hat sie sich ja die nächsten Serien-Episode „Eureka, die geheime Stadt“ auch noch angeschaut. Und eine weitere Möglichkeit, ihr Handy war noch nicht auf Sommerzeit umgestellt.

Das Gutachten

Vor der Aussage der Gutachterin versuchte der Anwalt des Sven P. die Öffentlichkeit ausschließen zu lassen. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab. Außerdem kam es an diesem Tag gar nicht mehr zum Vortrag des psychiatrischen Gutachtens über Sven P.

Während der Zeugenaussagen dieses Tages gab es ständig Nachfragen zum Grad der Trunkenheit der beiden Angeklagten, wobei es keine eindeutigen Aussagen der Zeugen gab. Fest steht, dass die Angeklagten reichlich getrunken hatten. Fest steht aber auch, dass Christian W. ein klares Erinnerungsvermögen an die Mordnacht hatte.

Die Sachverständige Frau Dr. Heide-Ulrike Horn sah für Christian W. keine Anhaltspunkte für eine Volltrunkenheit beziehungsweise verminderte Schuldfähigkeit zur Tatzeit. „Er hat es geschehen lassen. Sicher spielten Alkohol und seine Persönlichkeit eine Rolle“, sagte die Gutachterin. Für sie sei die Tat nicht nachvollziehbar. Ihr gegenüber hatte Christian W. gesagt, Bernd K. tue ihm etwas leid. Er sei bei ihm gewesen und habe gesehen, wie schlecht es ihm gehe.

Über seine politische Gesinnung wollte Christian W. nicht mit der Gutachterin reden. Auf Nachfrage des Nebenklägeranwalts beschrieb Frau Dr. Horn einige Tätowierungen am Körper des Angeklagten, die darauf hindeuten, dass Christian W. ein wandelnder 86a ist (§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen).

Der Prozess wird am 19. Februar mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

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