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news >> 2009 >> 090804_01

04.08.2009

Bundestagswahl in der Uckermark auch mit Skurrilem

Sieben Direktkandidatinnen im Wahlkreis 58

Prenzlau (ipr) Freitag letzter Woche entschied der Kreiswahlausschuss in Prenzlau über die Zulassung der eingereichten Vorschläge für die Direktkandidatinnen. Für den Wahlkreis 58 (Landkreis Uckermark, nördlicher Barnim) wurden fristgerecht sieben Vorschläge eingereicht und auch zugelassen.

Neben Mandatsinhaber Markus Meckel (SPD), der bundesweit eher mit seinen Nachbarschaftsstreitigkeiten denn mit politischer Arbeit für Aufsehen sorgte und nun sein Domizil in Mahlendorf verlassen hat, werden das Sabine Ursula Stüber (Die Linke) aus Eberswalde, Jens Koeppen (CDU) aus Berkholz-Meyenburg, Walter Henke (FDP) aus Passow, Susanne Münz ("Zukunft für uns") aus Löcknitz, Mike Sandow (NPD) aus Biesenthal und Alice-Sarah Polzer-Storek (B90/ Grüne) aus Angermünde sein.

Parteipolitiker begreifen nichts

Völlig neu auf dem politischen Parkett sind die Löcknitzer Susanne und Volkmar Münz aus dem Nachbarkreis Uecker-Randow. Sie tritt als Direktkandidatin der Uckermark und ihr Mann im Wahlkreis 18 (Uecker-Randow/Neubrandenburg) ebenfalls als Direktkandidat an. Beide firmieren unter "Zukunft für uns" und haben auch eine entsprechende Website im Angebot: http://www.zukunftfueruns.de.

Sie bezeichnen sich als parteiunabhängige Kandidaten und fordern die WählerInnen auf, grundsätzlich auch nur solche zu wählen, denn "die Parteipolitiker haben immer wieder gezeigt, dass sie keine Lösungen haben und bis heute weder die Zusammenhänge bundes-, europa- noch weltweit begreifen."

Was die Beiden begreifen, beziehungsweise, was ihre Lösungen sind, verraten sie allerdings auf ihrer Website auch nicht. Volkmar Münz spricht davon, dass die Website sich noch im Aufbau befindet. Sie schreiben von "Global denken und lokal handeln". Praktisch umgesetzt wird das schon bei der Herstellung ihrer Website, für die das Ehepaar einen Dienstleister aus Thüringen gewonnen hat. Worauf Volkmar Münz kontert, dass mit dem Internet eine Infrastruktur vorhanden ist, in der auch globales Handeln sinnvoll sei.

Zielgruppe "ländliche Alternativ- und Esoterikszene"

Ihre Schlagworte sind Nachhaltigkeit, Grundeinkommen, Volksentscheide, Geld- Weltwirtschaftskrise und Vertrag von Lissabon. Eigene Konzepte dazu entwickeln sie allerdings nicht. Sie verweisen ehrlicherweise auf vorhandene Projekte, die ihrer Intention entsprechen könnten und holen so vermeintlich Attac, den EU-Kritiker Prof. Dr. Karl Schachtschneider von der Universität Erlangen-Nürnberg, Gewerkschaften und die Initiativen für Grundeinkommen und Volksentscheide zu sich in Boot. Dumm nur, dass gerade im Wahlkreis 18 mit dem Neubrandenburger Heilpraktiker Michael Waldow ein weiterer Parteiunabhängiger Kandidat antritt. Ein Umstand den Volkmar Münz ehrlich bedauert.

Für Erklärungs- und Lösungsansätze der momentanen Geld- und Weltwirtschaftskrise lassen sie Zinskritiker und Anhänger der Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell zu Wort kommen. Interessant ist hier der Infokrieger Nicolas Hofer, der seinen Vortrag über "Die Evolution des Geldbildes" auch schon Mal im Anschluss an die Vorführung der Michael Kent Produktion "Fabian, der Goldschmid oder Gib mir die Welt plus 5 Prozent" (mehr) hält. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Text des Australiers Larry Hannigan von 1971, der als Basiswissen über unser Geld- und Zins-System angepriesen und auch von Volkmar Münz dafür gehalten wird.

Ein Trick- oder Animationsfilm, der auch auf dem "Nationalen Netztagebuch", einer Website der NPD Barnim-Uckermark, zu finden ist. Larry Hannigan selbst bezieht sich mit seiner Geschichte auf die Rolle der Londoner Goldschmiede als Kreditgeber englischer Könige im 16. und 17. Jahrhundert. Sie erklärt das Bankwesen als eine Verschwörung der Goldschmiede (Juden):

"Goldschmiede aus anderen Teilen des Landes waren interessiert an seinem Erfolg, und Fabian berief ein Treffen der Goldschmiede ein, das bereits unter Geheimhaltung stattzufinden hatte. Schließlich durfte der Schwindel nicht an die Öffentlichkeit gelangen, wenn die Sache weiterhin funktionieren sollte. Nach etlichem Abwägen wurde eine Logenbruderschaft gegründet und die Mitglieder auf absolutes Stillschweigen vereidigt. Sie nannten sich die 'Erleuchteten' – und die neu 'erleuchteten' Goldschmiede begannen nun in allen Teilen des Landes nach Fabians Anweisungen Geld zu verleihen."

Fundstücke

Manches, was Familie Münz da von sich gibt, erinnert an das sektenhafte "Willi Weise Projekt" (http://www.williweise.de), des in Berlin ansässigen "Kuratorium Neue Demokratie e.V.". Um das Parteiengesetz zu umgehen, wollen sie als parteilose Direktkandidaten unter der programmatischen Führung des Gesellianers und vermutlichen Reichsbürgers Friedrich Schönbeck Bundestagsdirektmandate erringen.

Volkmar Münz wirkt erstaunt bei der Nachfrage nach Willi Weise. Gibt dann aber zu, dass er wirklich dazu gehört hat. Tatsächlich taucht Volkmar Münz auch im Google Cache als Willi Weise Kandidat auf. Der Wahlkreis 18 wird aber auf der aktualisierten Website unter Kandidaten nicht mehr genannt. Susanne und Volkmar Münz haben sich von Willi Weise nicht wegen der Programmatik getrennt sondern weil sie Angst hatten, in eine Sekte und in einen Strukturvertrieb zu geraten.

Im Wahlkreis 60 kandidiert der ehemaligen Schillparteigänger Bernd Semmerau für das "Willi Weise Projekt". Er war wie alle anderen Willi Weise Kandidaten am letzen Wochenende zu einem Strategie-Kongress in Stadthalle nach Melsungen eingeladen. Themen: "1. Ein weltweit gefragter Experte führt uns in geheime Erfolgsstrategien ein. 2. Weitere entscheidende Neuigkeiten zur Gewinnung der Wahl. 3. Vermittlung von professionellem Handwerkszeug für den Umgang mit den lokalen und regionalen Medien im Einzelnen."

Friedrich Schönbeck, der sich auch Friedrich von Aš (gesprochen Asch) nennt, in einer Selbsteinschätzung auf muslim-markt.de: "Ich handle nicht im göttlichen Auftrag. Ich bin kein Prophet, sondern ich habe lediglich aufgeschrieben, was mir an einem einzigen Tag diktiert wurde: Der mystische Text "Grünes Land"."

Die letzte Frage an Volkmar Münz "Wer ist bei der Zukunft eigendlich uns?", betrachtet er schon fast als bösartig, und er vermutet, dass der Frager ihm nicht wohlgesonnen sei. Das weitere Gespräch führt dann zu Themen wie Chemtrails, nine/eleven oder Bilderberg. Für die einen absurde Verschwörungstheorien, für Familie Münz unumstößliche Wahrheiten.



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