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news >> 2009 >> 090918_01

18.09.2009

Zu den Ereignissen um das Löcknitzer Burgfest

Wenn Polizei und Politik sich streiten, freut sich die NPD

Löcknitz (ipr) Letzten Samstag fand in Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern) das alljährliche Burgfest statt. Während es in den letzten Jahren regelmäßig Reibereien zwischen Rechtsextremisten und der Polizei gab, wurden in diesem Jahr zusätzlich auch dem Löcknitzer Bürgermeister Lothar Meistring (Die Linke) die Handschellen angelegt. Versuch einer Einordnung.

Das Vorspiel: Hassplakate im gesamten Landkreis

Zum 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen plakatierte die NPD im Landkreis Uecker-Randow (MV) massiv Propaganda mit der Aufschrift "Polen-Invasion stoppen". Allein in Löcknitz wurden etwa 50 Plakate gezählt. Gegen die NPD wurde Anzeige wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde erstattet, und die Plakate wurden durch Gemeindemitarbeiter abgehängt.

Der Bürgermeister von Löcknitz, Lothar Meistring (Linke), warf der Landesregierung vor, kein Verbot für die Plakate ausgesprochen zu haben: "Wenn der Rechtsstaat nicht reagiert, müssen wir eben selbst handeln."

Eine Woche später entschied das Verwaltungsgericht Greifswald in einer Eilentscheidung, dass die abgehängten Plakate nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, sondern unter das Recht der freien Meinungsäußerung fallen.

In der Region um Löcknitz leben inzwischen mehr als 1000 polnische Menschen. Die NPD hat die Gemeinde Löcknitz mit ihren fast zehn Prozent polnischen Bürgern seit den Kommunalwahlen im Juni zu ihrem Schwerpunkt-Wahlkampfgebiet erklärt.

Erster Akt: Der Rechtsstaat reagiert

Im Vorfeld des Burgfestes gab es Gespräche zwischen der Polizei und dem Ordnungsamt in Löcknitz. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre und dem Streit um die antipolnischen Plakate wurden dem Veranstalter, dem "Heimat- und Burgverein Löcknitz E.V." , danach durch das Ordnungsamt verschiedene Auflagen erteilt. So wurde das öffentliche Tragen von antipolnischen T-Shirts untersagt und Einlasskontrollen zum Fest vom Veranstalter verlangt.

Zweiter Akt: Die vermeintlich böse Landespolizei

Bürgermeister Meistring besuchte mit seinem Enkelkind das Fest und verließ es gegen 18:00 Uhr. Seiner Aussage nach war die Stimmung gut und friedlich. Auch er hatte Bier getrunken. Gegen 19:00 Uhr kommt es zur ersten Missstimmungen zwischen Veranstalter und Polizei. In der Pasewalker Zeitung standen dazu Aussagen der Vorstandsmitglieder des Heimat- und Burgvereins: "Bereits in den frühen Abendstunden gegen 19 Uhr habe die Einsatzleiterin versucht, das Fest zu schließen. … Durch die massive Polizeipräsenz seien die Gäste des Burgfestes sehr verunsichert worden."

Auf Nachfrage bei der Polizeidirektion in Anklam, ob das denn so stimme, antwortet deren Pressesprecher Axel Falkenberg ganz klar mit "nein". Laut seiner Aussage bestand die "massive Polizeipräsenz" zu diesem Zeitpunkt aus zwei Polizeibeamten in Einsatzmontur auf dem Festgelände. Und er ergänzt: "Jedoch forderte die Einsatzleiterin die Einhaltung der Auflagen ein. So fehlten gegen 19:00 Uhr die Ordner." Nach einigem hin und her – bei der Polizei heißt das "nachdrückliche Forderung" – einigte man sich darauf, dass Vereinsmitglieder den Einlass kontrollieren. Eigentlich sollte ein Sicherheitsdienst für Ruhe, Ordnung und Einlasskontrollen sorgen. Der kam aber aus Kostengründen erst ab 21:00 Uhr zum Zuge, wie Bürgermeister Meistring bestätigte.

An dieser Stelle gegen 19:00 Uhr kam es zum telefonischen Disput zwischen Bürgermeister und Einsatzleiterin. Laut Lothar Meistring ging auch darum, ob er erneut auf dem Fest erscheinen solle. Der Bürgermeister erklärte, dass er nicht mehr fahren dürfe und abgeholt werden müsse. Daraufhin bekam er als Antwort, dass er das Fahrrad nehmen solle, man sei schließlich kein Taxiunternehmen, so Lothar Meistring.

Unterdessen hatten sich 25 bis 30 rechtsextreme Kameraden angeführt von NPD-Gemeinderatsmitglied Dirk Bahlmann eingefunden. Ob sie alle die roten "Polen-Invasion stoppen" T-Shirts trugen, wie es in einer dpa Meldung zu lesen war, ist allerdings unklar. Laut Informationen, die Lothar Meistring erhielt, sollen sie auf Anweisung der Aushilfsordner brav Jacken oder andere Kleidungsstücke über die T-Shirts gezogen haben. Die Polizei hatte im Laufe des Abends vier T-Shirt Träger registriert.

Kurz darauf kehrte Lothar Meistring auf das nach seinen Aussagen friedliche Fest zurück und musste sich die Klagen der Vereinsvorsitzenden Thea Käding anhören. In der Zeitung stand dazu: "Wir konnten mit ihr (Einsatzleiterin) nicht reden, es war eine unmenschliche Atmosphäre." Sein Vize Horst Heiser (Die Linke) legte in der gestrigen Ausgabe der Pasewalker Zeitung noch eins drauf: "Ich brauchte einige Tage, um die Geschehnisse von einem äußerst provozierenden und aggressiven Polizeiauftreten während des Burgfestes einzuordnen, in der eine völlig daneben liegende Polizistin als Einsatzleiterin agierte."

Dritter Akt: Ein Bürgermeister setzt sich mit ganzer Kraft ein

Verärgert über das vorangegangene Telefonat, empört über den Bericht von Thea Käding machte sich Lothar Meistring auf den Weg zum Löcknitzer Polizeirevier. Dort fand er etwa sieben Polizeibeamte und die Einsatzleiterin vor. "Sie hat breitbeinig dagestanden, die Hände verschränkt und gesagt, dass sie für Ruhe und Ordnung sorge. Ich bin laut geworden, sehr laut. Aber ich habe die Frau nicht angefasst!", bescheibt der Bürgermeister das Geschehen. Damit steht er allerdings allein. Es wird nun laut Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung, Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gegen ihn ermittelt. Er soll die Hand der Frau gepackt und so nach hinten gedrückt oder umgedreht haben, dass sie in die Knie ging. Lothar Meistring bestreitet das energisch: "Warum sollte ich diese Frau anfassen, dazu in Anwesenheit von zahlreichen Polizisten ?"

Was nun genau der Auslöser war, dass sich drei Beamte auf ihn stürzten, ihn niederrangen und ihm Handschellen verpassten, kann er allerdings nicht beschreiben. Er wurde dadurch an verschiedenen Körperstellen verletzt und verspürt durch diesen aus seiner Sicht unverhältnismäßigen Zugriff immer noch Schmerzen. Mittlerweile hat auch er Anzeige erstattet.

Nach etwa einer halben Stunde sei ein höherer Dienstgrad, "so ein vier Sterne Mann" wie er es beschreibt, gekommen und habe ihn von den Fesseln befreit. Die Situation hätte sich wieder beruhigt. Er hätte gehen können, habe aber noch eine Blutentnahme verlangt, die auch in Pasewalk stattfand. Gegen 22:00 Uhr will er wieder zu Hause gewesen sein.

Vierter Akt: Weitere Provokationen der Rechtsextremisten

Das Fest ging unberührt vom Geschehen auf dem Polizeirevier weiter. Gegen 21:00 Uhr soll Dirk Bahlmann gegangen sein. Etwas später wollten zwei Rechtsextremisten das Gelände betreten, die das T-Shirt "Polen-Invasion stoppen" zur Schau trugen. Der Veranstalter soll auf Hinweis der Polizei dafür gesorgt haben, dass sich die Rechtsextremisten zusätzlich Sachen überzogen.

Bis Mitternacht muss es mit den etwa 30 anwesenden Rechtsextremisten keine weiteren Vorfälle gegeben haben. Über die Zeit danach hieß es Vorgestern in der Pasewalker Zeitung: "Gegen 0.30 Uhr habe dann nach Angaben der Vorstandsmitglieder die Einsatzleiterin das Burgfest 'grundlos' geschlossen."

Was hier wie eine Willkürmaßnahme der Polizei klingt, erklärt der Pressesprecher der Polizeidirektion Anklam folgendermaßen: "Zwei zivile Kräfte der Mobilen Aufklärung Extremismus (MAEX) wurden gegen 00:30 Uhr von Jugendlichen und Heranwachsenden mit rechtsextremer Gesinnung verbal attackiert. Dabei wurden vereinzelt auch Drohungen gegen die Polizeibeamten ausgesprochen. Das anwesende Sicherheitspersonal sah sich ebenfalls verbalen Attacken ausgesetzt. In diesem zeitlichen Zusammenhang wurden erneut Verstöße gegen das Verbot des Tragens der T-Shirts festgestellt.

Um einer möglichen körperlichen Auseinandersetzung vorzubeugen und zum Schutz der eigenen Sicherheit wurden weitere Einsatzkräfte eingesetzt. Da die Sicherheit für den Fortlauf der Veranstaltung nicht mehr gegeben war, wurde die Veranstaltung durch die Polizeiführerin für beendet erklärt."

Nachspiel: Politisches Geplänkel und Katzenjammer

Die Meldung über diese Vorgänge war kaum in der Welt, da meldete sich der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), zu Wort und empfahl dem Landrat des Landkreises Uecker-Randow die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Bürgermeister zu prüfen.

Die NPD MV spottet auf ihrer Website über den Polenfreund Lothar Meistring: "Der Berufsmoralist wiederum wußte offenbar nicht, was ihn mehr ärgern sollte, Löcknitzer Jugendliche in roten Hemden "Polen-Invasion stoppen" oder die Tatsache, daß starke Polizeikräfte die Gäste und Einwohner vom Burgfest vergraulen."

Der Landkreis Uecker-Randow hat Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Greifswald eingelegt, auf deren Grundlage die NPD-Plakate mit der Aufschrift "Polen-Invasion stoppen" in den Abendstunden des 15. September erneut aufgehängt wurden. Zusätzlich hängen noch Plakate, die Rabenkrähen zeigen, die nach 100-Euro-Scheinen schnappen.

Lothar Meistring geht seinen Amtsgeschäften weiter nach und hadert mit der Tatsache, dass er nach den Vorfällen plötzlich Claqueure aus der rechten politischen Ecke bekommen könnte. Ihm ist klar, dass er das Gespräch mit der Polizei suchen muss, um die aus seiner Sicht verfahrene Situation zu entzerren. Er jedenfalls zeigt sich gesprächsbereit.



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