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02.01.2010 Dritter Prozesstag für Ronny M. und Artur E.Gewalttätig, weil als Kind verwöhntPrenzlau (ipr) Der gestrige dritte Prozesstag gegen die beiden Templiner Ronny M. (19) und Artur E. (20) vor dem Jugendschöffengericht in Prenzlau endete mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Während die Staatsanwältin für Artur E. auf Freispruch plädierte, verlangte sie für Ronny M. eine Jugendgesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Sein Verteidiger hielt hingegen eine Jugendgesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für angemessen und stellte den Antrag auf Unterbringung in eine Entziehungsanstalt. Gut- und Schlechtachter Zuvor hatte Joachim Borg, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut sein Gutachten über Ronny M. vorgelegt. Er beschrieb ihn als alkoholkranken Menschen mit unterdurchschnittlicher Intelligenz, der unsicher, gehemmt, kontaktscheu wäre und voller Minderwertigkeitsgefühle steckte. Das ständige Grinsen, das Ronny M. während der bisherigen Verhandlung an den Tag legte, wäre ebenfalls ein Ausdruck dieser Unsicherheit. Er bezeichnete Ronny M. als einen Alkoholiker vom "Typ 2" (nach Lesch: Alkoholkonsum aufgrund von "psychologischem Verlangen"). Diese seien gekennzeichnet durch eine ängstliche, vermeidende Persönlichkeit mit geringem Selbstwert und wenig Durchsetzungsvermögen. Auch Angststörungen und Phobien finden sich in dieser Gruppe. Alkohol wird als Mutmacher und Konfliktlöser verwendet. "Typ 2" Patienten werden oft durch aggressives Verhalten unter Alkoholeinfluss auffällig. Maßgeblich dafür wären Störungen in der frühkindlichen und familiären Entwicklung. Hier bewegte sich der Gutachter mit seiner Begründung allerdings auf dünnem Eis. Störungen in der frühkindlichen und familiären Entwicklung mögen ja bei Ronny M. vorhanden sein. Sie aber mit seinem Nesthäkchendasein zu erklären – er wäre als letztes von vier Kindern von Eltern und Geschwistern verhätschelt und verwöhnt worden und hätte so kein eigenes Selbstwertgefühl entwickeln können – klingt schon reichlich verwegen . Ob sich damit auch erklären lässt, warum Ronny M. im Suff "Adolf Hitler. Sieg Heil!" und nicht "Michelle, ich liebe dich!" grölte, ist allerdings fraglich. Bei allen Taten, die verhandelt wurden und bei denen Alkohol im Spiel war, hielt Joachim Borg eine verminderte Steuerungsfähigkeit für möglich. Im Bericht der Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe gab es eine Passage, die Ronny M. als jemanden schilderte, der bis zu seiner Verhaftung im September letzten Jahres in einer AB-Maßnahme zur Zufriedenheit seiner Chefs arbeitete. Sie berichtete, dass er während der Arbeit nicht und am Abend wenig trank, und sich lediglich an den Wochenenden seiner Trinksucht ergab und dann aber Gewalttätig wurde. Aus der Untersuchungshaft war nur Positives zu hören. Ronny M. verhalte sich bewusst zurückhaltend, arbeite in der Haftanstalt und habe sich keiner subkulturellen Gruppe angeschlossen. Sein Neonazi-Outfit sei ein Stilfrage, kein Bekenntnis. Schuld und Strafe In der Schuldfrage im Bezug auf seine Taten - gefährliche Körperverletzung am 8. April 2009, mehrfaches "Sieg Heil" Gebrüll am Abend der 15. und Morgen der 16. Mai, eine fahrlässige Körperverletzung mit anschließender Fahrerflucht am 10. Juni, besoffen beim Fahrradfahren erwischt am 27. Juni , Körperverletzung gegen seinen Kumpel und Mitangeklagten Artur E. am 8. August und versuchte Nötigung mit gefährlicher Körperverletzung am 17.09.2009 - lagen Anklage und Verteidigung nur um Nuancen auseinander. Da war der Pflichtverteidiger von Ronny M. lediglich der Auffassung, dass man hier einen Tritt und dort einen Stoß mit dem Knie nicht eindeutig nachweisen könnte, was aber keinen Einfluss auf die Bewertung der angeklagten Taten hätte. Auch in der Betrachtung der Auseinandersetzung zwischen Ronny M. und Matthias M. am 17.09.2009 waren sich Staatsanwältin und Verteidiger recht nahe. Matthias M. hätte die drei Jugendlichen vor Ronny M. gerettet. Wie es aber genau zu der Platzwunde auf dem Schädel Matthias M. kam, ob da nicht doch Ronny M. in Notwehr zuschlug und Artur E. ihm in dieser Notwehrsituation half, dies könnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Deshalb wurde dieser Anklagepunkt fallen gelassen. Beide erkannten in den Taten die schädlichen Neigungen von Ronny M., was überhaupt erst die Voraussetzung für die Verhängung einer Jugendstrafe ist. Das war es dann mit den Gemeinsamkeiten. Die Strenge des Gesetzes Die Staatsanwältin stellte in ihrem Plädoyer Ronny M. als einen unverbesserlichen rechten Schläger dar, der jegliche Einsicht vermissen ließ. Seit seiner letzten Verurteilung (siehe mehr) waren nicht einmal acht Tage vergangen, da schickte er Enrico V. mit einem Kopfstoß ins Land der Träume. Für die Schläge, die er gegen seinen Kumpel Artur E. übrig hatte, bekam er einen Haftbefehl. Für die Aussetzung des Vollzugs dieses Haftbefehls durch den zuständigen Richter bedankte sich Ronny M. mit dem Angriff auf die Jugendlichen am Dönerstand. Die Staatsanwältin attestierte ihm eine Rückfallgeschwindigkeit, die seinesgleichen suche. Sie bejahte die Möglichkeit der verminderten Steuerungsfähigkeit durch seinen Alkoholkonsum, verneinte allerdings die im Gesetz dafür vorgesehene Strafminderung. Er hätte sein Alkoholproblem erkannt. Er wäre auch in der Lage gewesen, den Konsum während der Woche einzudämmen. Deshalb sah sie bei Ronny M. eine verschuldete Trunkenheit, bei der dann eine Strafrahmenverschiebung in der Regel nicht in Betracht kommt. Deshalb dreieinhalb Jahre Jugendhaft. Die Güte des Gerichts Gerade die Unfähigkeit, den Alkoholkonsum konstant herunterzufahren, war für die Verteidigung ein Indiz, dass hier ein Hang zum Alkohol vorliege und deshalb die Strafe reduziert werden müsste. Selbst eine Wette, die ihm 50 Euro eingebracht hätte, brach er kurz vor Ende ab, weil er ohne Alkohol nicht mehr auskam, argumentierte sein Verteidiger. Das strenge Regime in der Haftanstalt zeigte bei Ronny M. Erfolge. Er hätte über seine Situation nachdenken können. Vielleicht wäre es sogar sinnvoller gewesen, so der Anwalt, schon früher die Bewährung zu versagen. Ronny M. hätte sich von seinen Freunden gelöst, Ronny M. tränke nicht mehr seit er in Haft ist. Er hätte seine rechte Phase beendet. Er bräuchte jetzt eine Therapie und eine Belohnung. Deshalb wäre der Maßregelvollzug für ihn das Richtige. Würde er die Therapie abbrechen, käme er ja zwangsläufig zurück in Jugendhaft. Er plädierte auf zweieinhalb Jahre Jugendhaft und sofortige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Die Argumentation des Verteidigers von Ronny M. klang plausibel, war überzeugend vorgetragen. Er präsentierte sich im Gegensatz zur jeden positiven Ansatz verneinenden Anklägerin als väterlicher Freund, der zwar klare Worte für die Verfehlungen seines Mandanten fand, aber doch eine positive Entwicklung in den Vordergrund stellte und nun auf die patriarchalische Güte des Gerichts hofft. Er hat vielleicht nur nicht bedacht, dass gerade bei einer wie in diesem Fall diagnostizierten Alkoholerkrankung vom "Typ 2" es zahlreiche Literaturhinweise gibt, die besagen, dass für diese Patienten eine stationäre Behandlung nicht zwangläufig notwendig ist. Ronny Fred M. bei gegenrede.info Abwesende und abtrünnige Zeuginnen |
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