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news >> 2010 >> 100412_01

12.04.2010

Die Uckermark im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2009 (Teil 1)

Strukturen werden nicht erkennbar

Pinnow (ipr) Am 12. März stellte Brandenburgs Innenminister Rainer Speer den Verfassungsbericht 2009 vor. Die erstaunliche Erkenntnis daraus für die Uckermark ist, dass hier bei den Landtagswahlen im Wahlkreis 11 die NPD mit vier Prozent neben dem Wahlkreis Spree-Neiße II ihr bestes Ergebnis in Brandenburg erzielen konnte.

Im Wahlkreis 11, dazu gehören unter anderem die Städte Angermünde und Prenzlau, die Gemeinden Nordwestuckermark und Uckerland und die Ämter Brüssow und Gramzow, gewann Matthias Platzeck das Direktmandat mit 46,2 Prozent der Stimmen. Auf die extrem hohen NPD-Ergebnisse entlang des Randowbruchs – Wollin 37,5%, Schmölln 7,3%, Schwanebeck 7,5 %, Bagemühl 12,9%, Brüssow 7.9 %, Wollschow 9,6 % - oder in der Gemeinde Uckerland - Nechlin 10,4%, Hetzdorf 12,3% und Güterberg 17,6% - geht der Bericht allerdings nicht näher ein.

Bei der Situation der NPD wird auf die Neugründung des Ortsverbandes Prenzlau hingewiesen, der mit einer Sonderausgabe der "Märkischen Stimme" gefeiert wurde. Dass im Gegensatz dazu nach den verlorenen Bundes- und Landtagswahlen der NPD-Ortsverband Schwedt seinen Vorsitzenden Mike Neumann und zahlreiche Mitglieder durch Austritt verlor, wird allerdings nicht erwähnt. Ob bei der genannten Anzahl von 17 Vertretern in acht Kreistagen beziehungsweise Stadtverordnetenversammlungen kreisfreier Städte der Parteiaustritt des uckermärkischen Kreistagsabgeordneten Andy Kucharzewski berücksichtigt wurde, geht ebenfalls nicht aus dem Text hervor.

Im Kreisverband Barnim-Uckermark ist laut VS-Bericht eine Kooperation mit "Freien Kräften" feststellbar. Möglichkeiten werden gesucht und gefunden, heißt es da. Was damit gemeint ist, kann nur vermutet werden. So fand am 21.03.2009 die Jahresfeier der "Kameradschaft Märkisch Oder Barnim" (KMOB) auf dem damals von der NPD kontrollierten ehemaligen Stasigelände in Biesenthal statt. Anwesend waren etwa 100 Gäste von den "Hatecore Warriors Uckermark" (HCWU) über die Kreisführung von NPD und DVU bis zu Mitgliedern des "Nationalen Bündnis Preußen". Zum Volkstrauertag am 15. November 2009 wurden heimlich nach den offiziellen Feierlichkeiten auf dem Schwedter Soldatenfriedhof Gebinde dazugelegt, deren Schleifen die Namen von NPD, "Nationalem Bündnis Preußen" und "Freien Kräften" trugen. Festere Strukturen, wie der "Heimatschutz Germania" oder das "Nationale Bündnis Preußen", werden eingebunden und bewegen sich im Windschatten der NPD. Doppelmitgliedschaften sind nicht selten. Solche Verbindungen reichen bis in den Landkreis Märkisch-Oderland.

Zurecht weist der VS-Bericht darauf hin, dass «auch im Jahr 2009 das Bemühen des NPD Kreisverbandes Barnim-Uckermark erkennbar war, die ehemalige Asylbewerberunterkunft (davor Stasigelände) in Biesenthal für sich und andere rechtsextremistische Gruppierungen zu nutzen.»

Es wird berichtet, dass die für 2009 geplanten Konzerte – bis auf eines – nicht umgesetzt werden konnten. «Lediglich am 1. Mai nahmen etwa 150 Rechtsextremisten, zumeist aus Brandenburg und Berlin, an einem Skinheadkonzert teil. Dann kam das endgültige Aus für Veranstaltungen dieser Art.»

Über die baurechtliche Sperrung eines Gebäudes auf dem Geländer heißt es: «Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Landkreis Barnim führte dazu, dass die Polizei am 13. Juni 2009 den letzten Konzert-Versuch erfolgreich verhinderte. Zuvor hatte die Kreisverwaltung Barnim ein bauordnungsrechtliches Nutzungsverbot für den Bürger vor der Kirche in Biesenthal (2008) fraglichen Gebäudekomplex ausgesprochen. Die Nutzungsmöglichkeiten der Immobilie sind jetzt beschränkt. Schulungen und Treffen sind nur noch im kleinen und zumeist konspirativ vorbereiteten Rahmen möglich.» Eine letzte Feier fand in Biesenthal auf dem Grundstück am 21. November 2009 statt. Der NPD-Landesverband veranstaltete eine Dankesfeier für alle Wahlhelfer. Die Information über den Grund dieser NPD-Veranstaltung ist neu. Dass es eine Feier am 21. November gab, konnte man einer Pressemeldung der Barnimer Polizei entnehmen. Allerdings taucht die Information über diese Feier an ganz anderer Stelle im VS-Bericht auf, lediglich mit einem Hinweis auf Biesenthal. Dass diese Feier auf dem Grundstück des ehemaligen Asylbewerberheims stattfand, könnte man auf Basis des VS-Berichtes nur vermuten.

"Freie Kräfte" etc

Über die "Freien Kräfte" im Raum Uckermark/Barnim wird festgehalten: «Bei der "Kameradschaft Märkisch Oder Barnim" (KMOB), dem "Heimatschutz Germania" (HSG), den "Nationalen Aktivisten Prenzlau/Uckermark" (NAUM) und den "Freien Nationalisten Uckermark" (FNUM) handelt es sich um neonationalsozialistische Splittergruppen. Die Strukturen sind wenig ausgeprägt. Aktivitäten von HSG und NAUM in der Uckermark nehmen ab und sind kaum noch wahrnehmbar. Ob weiterhin mit der erst seit Oktober 2009 aktiven FNUM zu rechnen sein wird, bleibt abzuwarten. Im Gegensatz zu den bereits genannten Gruppierungen fallen die Aktivisten der KMOB durch rege Teilnahme an rechtsextremistischen Demonstrationen und bei anderen Anlässen auf. … Gelegentlich begehen Einzelmitglieder außerhalb des Gruppenkontextes rechtsextremistische Straftaten.»

Die Einschätzung der FNUM ist zu vorsichtig. Die Aktivitäten dieser Gruppe orientieren sich stark an der KMOB. Bis Ende 2009 haben die FNUMler an vier Demonstrationen teilgenommen: 04.10. in Angermünde, 07.10. in Berlin, 17.10. in Leipzig und am 05.12. in Königs Wusterhausen. Dazu gab es noch zwei Heldengedenken am 14.11. in Oderberg gemeinsam mit der KMOB und 15.11 in Schwedt gemeinsam mit NPD und dem durch die Parteiaustritte wiedererwachten "Nationalem Bündnis Preußen". Dazu kommt die Anwesenheit einzelner FNUMler bei rechtsextremistischen Konzerten am 14.11. in Bismark (MV) und 29.12. in Löcknitz (MV). Über die Gruppierungen vor der FNUM "Freie Kräfte Angermünde", "Autonome Nationalisten Uckermark" und "Hatecore Warriors Uckermark" verliert der Bericht kein Wort. Und der Satz «Gelegentlich begehen Einzelmitglieder außerhalb des Gruppenkontextes rechtsextremistische Straftaten» ergänzt durch "und andere Straftaten" gilt auch für die FNUM.

Über die Demonstration am 5. Dezember in Königs Wusterhausen wird im VS-Bericht angemerkt: «In Königs Wusterhausen (LDS) fand am 5. Dezember 2009 eine Demonstration von "Freien Kräften" statt, die unter dem Motto "Jugend braucht Perspektiven" darauf ausgerichtet war, Jugendliche Neonationalsozialismus und gewaltbereiter Rechtsextremismus und junge Erwachsene für das neonationalsozialistische Weltbild zu gewinnen. Nur 260 Personen folgten jedoch dem Aufruf der Veranstalter, die mit wesentlich mehr Teilnehmern gerechnet hatten.» Zu den wenigen Demonstranten gehörten neben der KMOB eben auch die FNUM. Wobei an der FNUM auffälig war, dass zu jeder der vier Demonstrationsteilnahmen neue Leute bei der FNUM auftauchten.

Das letzte Lebenszeichen der "Hatecore Warriors Uckermark", die im VS-Bericht gar nicht erwähnt werden, fand die Barnimer Polizei im September 2009 in Eberswalde. Während einese Trinkgelages sind drei Männer, die heute zur FNUM gehören und davor bei den HCWU waren, unpolitisch über einen vierten hergefallen. Am Tatwort fand die Polizei ein herrenloses T-Shirt der "Hartecore Warriors".

Heß-Gedenken

Für den 17. August 2009 war über eine Website bundesweit zu "Flashmob-Aktionen" aufgerufen worden. Rechtsextreme Aktivisten trugen die Namen von insgesamt 138 Städten auf der Website ein. Brandenburg war 19 Mal genannt worden. Dazu der VS-Bericht: «Das Vorhaben scheiterte jedoch kläglich. In vielen Fällen waren die angegebenen Orte durch Gegendemonstranten besetzt." Im Land Brandenburg wurden in sechs Städten insgesamt rund 140 Rechtsextremisten angetroffen. Polizei und bürgerlicher Protest verhinderten die "Flashmobs"». In der Uckermark waren das die Städte Brüssow und Schwedt in denen "Flashmobs" angekündigt und durch Gegendemonstrationen und Polizeiaufgebot verhindert wurden.

Laut VS-Bericht streitet die neonationalsozialistische Szene seitdem heftig über den Sinn dieser Aktionsform. «Befürworter verweisen trotz Niederlage darauf, dass der Todestag von Rudolf Heß medial so intensiv behandelt wurde, wie es selbst zurückliegende Großaufmärsche nicht besser hätten erreichen können. Kritiker in der Szene weisen darauf hin, dass "Flashmobs" Ausdruck einer Spaßkultur seien. Für den politischen Kampf seien sie nicht zu gebrauchen.»



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