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news >> 2010 >> 101001_02

01.10.2010

Empörung um die Vorgänge in Milmersdorf

Scheidender Amtsdirektor des Amtes Gerswalde bittet Artisten um Entschuldigung

Pinnow (ipr) Der Amtsdirektor des Amtes Gerswalde hat sich bei der verjagten Zirkusfamilie entschuldigt. Landes- und Kreispolitiker beziehen zu den Milmersdorfer Vorgängen Stellung und sind empört.

Bernd Brandenburg hatte sich seinen letzten Arbeitstag als Amtsdirektor in Gerswalde am Mittwoch wahrscheinlich angenehmer vorgestellt. Statt sich einfach guten Mutes von seinen Mitarbeitern und den Bürgermeistern in sein neues Amt als Beigeordneter des Landrates der Uckermark zu verabschieden, das er heute antritt, hatte er sich als letzte Amtshandlung etwas traurigeres auferlegt: Er wollte sich bei den Artisten des Zirkus Happy für die gewaltsame Vertreibung aus Milmersdorf entschuldigen.

Zirkusdirektorin Jennifer Sperlich war sichtlich überrascht über diesen Anruf. "Er kann ja nichts dafür", sagte sie gegenüber gegenrede.info, "aber er war wirklich entsetzt, dass so viele Leute sich gegen meine Kinder gewandt hatten. Das so etwas heute noch passiert, hatte er sich nicht vorstellen können."

Landrat Dietmar Schulze sagte gestern Abend am Rande einer kulturellen Veranstaltung mit Ministerpräsident Matthias Platzeck in Templin, dass er voll und ganz hinter dieser Entschuldigung seines neuen Beigeordneten stehe und dessen Entsetzen teile.

Matthias Platzeck konnte sich gestern Abend noch nicht zu den Ereignissen in Milmersdorf äußern. Er sei zwar informiert worden, habe sich aber noch kein eigenes Bild darüber machen können, bat er um Verständnis. Ähnlich erging es dem Landtagsabgeordneten und CDU Fraktionsvorsitzenden des Kreistages, Henryk Wichmann.

Der Templiner Andreas Büttner, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Brandenburg und FDP Kreisvorsitzender, sieht in den Vorkommnissen "ein beschämendes Zeichen von vorhandener Intoleranz. Insbesondere die diskriminierenden Äußerungen 'Zigeunerpack' und die im Anschluss stattgefundenen Strafrechtsverletzungen sind zu verurteilen."

Für den SPD-Kreisvorsitzenden und Fraktionschef im Kreistag, Frank Bretsch, ist es "nicht nur schade und bedauerlich, sondern in höchstem Maße peinlich, ernüchternd und beschämend zu erfahren, wie Menschen unter uns mit Fahrenden umgehen und den Grundsatz von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen mit Füßen treten." Für ihn ist die Entschuldigung die eine Sache. Er sieht aber deutlichen Handlungsbedarf zur Aufarbeitung des Geschehenen, "damit es nicht nur bei den sehr berechtigten und ganz sicher ehrlich gemeinten Entschuldigungen gegenüber den geschädigten Menschen bleibt, sondern wir die unzweifelhaft vorhandenen Kompetenzen in unserem Landkreis zur Verhinderung derartiger schlimmer Entgleisungen nutzen."

Beide Politiker stellen allerdings zu Recht ihre Aussagen unter den Vorbehalt, dass sie sich auf die Richtigkeit der Recherchen von gegenrede.info verlassen müssen.

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Axel Krumrey schrieb am 04.10.2010
Diese Vorgänge sind in der Tat auf das Schärfste zu verurteilen. Sie sind allerdings Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. Heutzutage wird die eigene, als negativ empfunde Situation in Frust umgewandelt, der sich dann an anderen entlädt, meistens an denen, die man selbst als schwächer empfindet. Durch die somit vollzogene Abgrenzung definieren sich die Menschen selbst und versuchen krampfhaft, eine eigene Identität zu entwickeln, die sich dadurch auszeichnet, dass sie zwar aussagekräftig dahingehend ist, was man selbst nicht ist oder sein will, aber keine positive Selbstbestimmung beinhaltet. Perspektivlosigkeit und das Gefühl abgehängt zu werden oder es schon zu sein, befördern Lethargie oder eben Gewalt gegen andere. Es ist leicht, die Vorgänge zu kritisieren, aber damit löst man nicht das eigentliche Problem, denn das liegt viel tiefer und ist mit "sozialer Ausdifferenzierung und Chancenungleichheit" zu beschreiben. Und dafür müssen auch die Politiker Verantwortung übernehmen, egal auf welcher Ebene sie wirken!

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