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20.07.2012
Wahrnehmungen und Gedanken
Julimorde in der Uckermark
Von Peter Huth
Gestern wurde in Templin an die Ermordung von Bernd Köhler erinnert. Vergangenen Freitag wurde in Potzlow der Tötung von Marinus Schöberl gedacht. Die Täter waren in beiden Fällen junge Nazis. Beide Morde wurden mit ungeheurer Brutalität ausgeführt. Und in beiden Fällen wurden die Opfer vor dem Mord durch den Ort getrieben.
Der Mord in Potzlow geschah vor zehn Jahren, der in Templin ist vier Jahre her. Für den Mord in Potzlow interessierte sich in diesem Jahr die junge Prenzlauer Antifa und radelte gemeinsam mit Vertreterinnen von Die Linke an die Gedenkstätte für Marinus Schöberl, um dort weiße Nelken niederzulegen. In Templin war es recht einsam um die Vertreter von Stadt, Stadtverordnetenversammlung und Familienangehörigen. Aber zu beiden Ereignissen war in diesen Jahr die lokale Presse vor Ort. Auch ein Fortschritt.
 Gedenken an Bernd Köhler auf dem Templiner Friedhof foto: ipr
Den Einwohnern bei- der Gemeinden war vorgeworfen worden, weggeschaut zu ha- ben. Der Bürgermeis- ter von Templin hatte das Seine dazu getan als er behauptete, es gäbe keine rechte Szene in seiner Stadt. Eine Aussage, die er später bedauerte und korrigierte.
Heute reagieren die Verantwortlichen und engagierten Bürger in beiden Gemeinden an- ders. In Potzlow kam es – früher un- denkbar - zu Gesprä- chen zwischen anradelnder Antifa und Einwohnern.
In Templin sagt Bürgermeister Detlef Tabbert, man muss den Neonazis in unserer Stadt klare Kante zeigen. Er will das rechte Gedankengut bekämpfen aber die Menschen gewinnen. Da fliegt schon mal ein junger Mann wegen rechter Gesinnung aus der Freiwilligen Feuerwehr, erhält dann aber auch die Chance, sich zu verändern und wieder einzusteigen.
Wenn ich an den Prozess gegen die Mörder von Bernd Köhler zurückdenke, gibt es zwei Momente, die mir als Erstes einfallen. Als im Revisionsprozess die Familiensituation des Angeklagten Sven P. erörtert wurde, hieß es, dass er in jungen Jahren seinen Vater verloren habe. Dazu bemerkte die neben mir sitzende Tochter des Ermordeten mit einem Anflug von Sarkasmus: „Ich habe meinen Vater auch in jungen Jahren verloren.“
Die zweite Szene spielte sich im ersten Prozess während der Zeugenvernehmung ab. Die 24-jährige Sandra H. war mit Tränen in den Augen gleich wieder aus dem Gerichtssaal gerannt. Später erklärte sie ihr Verhalten. Sie habe Schuldgefühle, weil sie damals nicht gleich die Polizei gerufen hatte.
Fünf junge Männer waren mit unterschiedlicher Heftigkeit an zwei Morden beteiligt. Zwei leben wieder in Freiheit. Einer davon in der Uckermark, der andere vermutlich in Berlin. Drei haben noch einige Jahre im Knast vor sich.
In der Uckermark gab es in diesem Jahr bereits fünf rechtsgerichtete Gewalttaten. Im vergangenen Jahr waren es Null. Bei einer dieser Taten kann man von Glück reden, dass nicht wieder ein Mensch auf der Strecke geblieben ist. Das wäre dann allerdings im Mai gewesen.
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Irmela Mensah-Schramm schrieb am 22.07.2012
Es ist sicher richtig, dass auch über die Hintergründe der rechten Straftaten nachgedacht werden muss.
Wenn diese aber in die Richtung gehen, die dann am Ende wie nach einer Rechtfertigung z.B. wegen einer "schlechten Kindheit", oder "viel Prügel in der Kindheit", "Alkoholprobleme" oder was auch immer dann letzten Endes als strafmildernd gewertet wird, so frage ich mich, was spricht denn dann für die Opfer?
Die waren dann demnach wohl immer nur zur falschen Zeit am falschen Ort......
Ich selbst bin ständig Opfer "nur" von massiver Bedrohung und übelster sexistischer und rassistischer Beleidigung, so auch mit der Empfehlung baldigst "abzukratzen". Dem gegenüber steht die untätige Justiz und auch Polizei.
Das wissen die Nazis, wie auch bei den erwähnten Gewalttaten wie Mord und schwerer Körperverletzung.
Oft enden die Freisprüche mit "Im Zweifel für die Angeklegten", wohl aber kaum "Im Zweifel für die Opfer"!
Auch das wissen die Nazis nur allzu gut: Ihre Demos werden höchst selten von der Polizei verboten, geschweige denn von den Gerichten. Im umgekehrten Fall sind Gegendemos eher verboten worden und weit mehr im Visier oder auch Fokus der sogenannten Sicherheitsbehörden.
Eben jene Sicherheitsbehörden wie der Bundesverfassungsschutz, der unlängst gnadenlos versagt und letztendlich auch Schuld auf sich geladen hat damit.
Und die Kommunalpolitik spielt das Vogel-Strauß-Syndrom weiter: Kuschen, wenn auch nicht "kuscheln" mit den Nazis.
Na denn, viel Spaß damit.
Bei mir hat der Spaß längst aufgehört!!!
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