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news >> 2012 >> 120904_01

04.09.2012

Elternbrief führt zu Irritationen

Wenn ein Redakteur interpretiert statt zitiert

Prenzlau (ipr) Eltern von Schülern der 1. Klasse an der Carl-Friedrich Grabow Grundschule haben sich in einem Brief über die Unterrichtsbedingungen in der Klasse beschwert. Aus dem Brief wurde eine Artikel in der Prenzlauer Zeitung, und der sorgte für Aufregung.

«Das sechsjährige Mädchen besucht seit August nämlich die erste Klasse der Grabow-Schule und in dieser sitzen sage und schreibe 30 Kinder. "Vier davon haben Migrationshintergrund. Die Lernbedingungen werden dadurch maßgeblich erschwert", heißt es in einem Protestbrief, den die Mutter gemeinsam mit anderen Eltern aufgesetzt hat.» So stand es vergangenen Samstag in der Prenzlauer Zeitung und hatte nicht nur für gegenrede.info einen fremdenfeindlichen Beigeschmack.

Der Brieftext

Mittlerweile ist der original Elternbrief auch bei gegenrede.info angekommen. Man kann beim Lesen feststellen, dass die Prenzlauer Zeitung nicht korrekt zitiert und durch die kleinen Änderungen die Gewichtung des Textes verschoben hat. Die "4 Schüler mit Migrationshintergrund" bekommen durch den veränderten Satzbau eine viel größere Bedeutung. Hier das Original oben die Interpretation. «Die diesjährigen Schulanfänger finden sich derzeit in einer Klassenstärke von 30 Schülern, davon 4 Schüler mit Migrationshintergrund, wieder. Die Lernbedingungen für alle Schüler werden dadurch maßgeblich erschwert. So ist bereits bekannt, dass Schüler wie Lehrer in großen Klassen deutlich größeren Belastungen ausgesetzt sind.»

Die Erläuterung

Gegenrede.info wollte trotzdem wissen, ob die vier Kinder mit Migrationshintergrund ein Problem darstellen könnten. Im Lehrerkollegium der Grabow-Schule herrschte zwar einige Aufregung wegen des Artikels aber Antworten bekam gegenrede.info vom Bürgermeister Prenzlaus, Hendrik Sommer. Die Stadt ist der Schulträger.

Die vier angesprochenen Kinder in der 1. Klasse leben im Asylbewerberheim in Prenzlau, das genau gegenüber der Grabow-Schule liegt. Es handelt sich dabei um ein Kind aus Kenia, ein Kind aus Afghanistan und zwei kurdische Kinder. Alle vier Kinder nehmen am Förderunterricht Deutsch für Ausländer an der Schule teil. Sie besuchen außerdem den Hort, um möglichst schnell die deutsche Sprache zu erlernen und zu beherrschen.

Die Erfahrungen der Schule mit Kindern aus dem Asylbewerberheim, die bereits seit längerem die Schule besuchen, seien sehr gut, heißt es weiter. Die Kinder erlernen laut Aussage der Schulleitung sehr schnell die deutsche Sprache, arbeiten gut im Unterricht mit und weisen keine Lernschwierigkeiten auf. Sie bedürfen innerhalb ihrer Klassen keiner zusätzlichen speziellen Förderung, sondern sind normal integrierbar. Die Schule distanziert sich von der Aussage, so Bürgermeister Sommer, dass diese Kinder 'Lernschwierigkeiten' bereiten.

Hendrik Sommer bedauert, dass mit dem Beitrag in der Prenzlauer Zeitung der Eindruck entstanden ist, dass der Migrationshintergrund der vier Kinder Grund für die Beschwerde der Eltern sei. Er betont, dass auch er sich kleinere Klassen wünsche, diese jedoch abhängig sind von der durchschnittlichen Klassenfrequenz aller ersten Klassen in den Grundschulen der Stadt. Die Klassenfrequenzen wiederum sind Grundlage der Zuweisung der Lehrerwochenstunden durch das staatliche Schulamt Eberswalde.

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Irmela Mensah-Schramm schrieb am 06.09.2012
Ihrem Kommentar Frau Liebher stimme ich voll und ganz zu!
Ich denke mal, dass gerade in Schulanfängerklassen niemals über 20 SchülerInnen unterrichtet werden dürfen!
Mir fällt da noch etwas zur Schulpolitik des Landes Brandenburg ein: Eine Schule (ich glaube es war eine Oberschule) in Ludwigsfelde wurde kurz nach ihrer Ernennung zur "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" aufgelöst, warum auch immer, vermutlich angeblich zu wenige Schülerzahlen (???) Auch in dieser Schule war mein Projekt "Hass vernichtet" willkommen und ich konnte gleich beim Betreten dieser Schule eine äußerst angenehme Atmosphäre wahrnehmen. Es war ausgesprochen freundlich dort auch der Umgangston.
Nun ist eine Grundschule dort untergebracht. Als ich unmittelbar vor der Schule Naziparolen an einem Müllbehälter beseitigte, kamen Schüler auf mich zu, die gerade mit ihrer Lehrerin unterwegs waren und befragten mich zu meiner Aktion.
Noch während ich es ihnen erklärte, packte die Pädagogin sie an der Schulter und schob sie an mir vorbei mit den schroffen Worten "Da redet man nicht darüber, sondern macht es einfach weg"....
Ein wohl nur denkbar schlechtes Vorbild, könnte man doch meinen!
Mich wundert es nicht, das die Bildungspolitiker generell allgemein ganz sicher nicht erstrangig für das Wohl der Kinder agieren, sondern für die Statistik!

Irmela Mensah-Schramm schrieb am 05.09.2012
Gerade in dieser Schule haben wir - Ibraimo Alberto (frühererer Ausländerbeauftragter von Schwedt), Lothar Priewe und ich mit meinem Ausstellungsprojekt "Hass vernichtet" sehr gute Zusammenarbeit erlebt bei unseren Workshops "Rassismus im öffentlichen Raum".
Wir waren mit unserem Projekt willkommen in dieser Schule, wovon man bei manch anderen Schulen im Lande nun wirklich nicht sprechen kann!!!
Zu jener Klasse, wovon die Rede im Zeitungsartikel war, würde ich aber schon sagen, dass für eine Schulanfängerklasse 30 Kinder schon zuviel sind. Dabei können trotzdem 4 Immigrantenkinder jedoch keine Rolle spielen.

Silke Liebher schrieb am 05.09.2012
Derzeit befinden sich 30 Kinder in der 1. Klasse der Grabow-Grundschule, was für uns als Eltern keine optimale Lernbedingung im Unterricht darstellt. Daher fordern wir durch die Teilung der Klasse bessere Rahmenbedingungen für unsere Kind
er, so dass Bildung auch gelingen kann. PISA hat bereits erwiesen, dass sich kleine Klassenstärken positiv auf die Unterrichtsgestaltung, Lernbereitschaft, das Arbeitsverhalten als auch die sozialen Beziehungen auswirken.
Wir wünschen uns für unsere Kinder, dass sie durch eine pädagogische Anleitung zur Selbstleitung Begeisterung am Wissen verspüren und dadurch die Leidenschaft am Lernen geweckt wird. Durch eine individuelle Förderung nach dem Motto „Fordern und Fördern“ sollen die Kinder die Möglichkeit bekommen ihre Potentiale zu entfalten und durch positive Erfahrungen zum Weiterlernen motiviert werden.
Als große Chance empfinden wir die kulturelle Vielfalt in der Klasse. Sie bietet den Kindern bereits in jungen Jahren das Erlernen interkultureller Kompetenzen und die damit verbundene Möglichkeit des Nachdenkens über eigene Standpunkte und des Modifizierens eigener Wege; sie können somit zu offenen und toleranten Kindern heranwachsen.
Von der Aussage, dass Kinder mit Migrationshintergrund die Lernbedingungen erschweren, distanzieren wir uns. (Prenzlauer Zeitung, 1.10.2012 „Eltern protestieren gegen Mammut-Klasse“) Der von uns aufgesetzte Elternbrief wurde von der Redaktion sinnentstellt zitiert.

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