[home]   [hintergrund]   [forum]   [blog]   [impressum]
<h1>info-portal rechtsextremismus</h1>
Nachrichten, Berichte, Analysen zum Rechtsextremismus in der Uckermark
 
[news]
news >> 2014 >> 140123_01

23.01.2014

Brüssow: Schleuser-Treffpunkt für Nazi-Konzerte

Bahlmann unverzollt

Brüssow (ipr) Das von gegenrede.info Anfang Januar gemeldete illegale Rechtsrockkonzert in Rossow zwischen Pasewalk und Löcknitz schlägt mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern hohe Wellen. Sind doch die Besitzer des ehemaligen Gasthauses an der Bundesstraße 104 ein Zollbeamter und dessen Frau. Unterdessen ermitteln Staatsschützer in Prenzlau und in Anklam im Zusammenhang mit diesem Konzert wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Der Treffpunkt vor dem Konzert in Rossow am 29.12.2014 war der Marktplatz in Brüssow. Im Nachhinein erinnert sich ein Anwohner an eine "etwas ungewöhnliche" Parkordnung. Die PKWs hätte relativ einheitlich geordnet in Reihen gestanden und wären irgendwann gemeinsam losgefahren. Ein Anderer will sogar ein "Heil Hitler" gehört haben und "Lasst uns losfahren!" Etwa 30 Wagen will er gegen 19:00 Uhr gesehen haben. Er erstattete sogar Anzeige, die nun zu den Ermittlungen des Staatsschutzes führten, bestätigte gestern die Pressestelle der Polizeidirektion Ost.

Es war nicht das erste Mal im zurückliegenden Jahr, dass der Marktplatz in Brüssow als Schleuser-Treffpunkt für ein illegales Nazi-Konzert genutzt wurde. Im April traf man sich in Brüssow, um von dort zu einem Konzert nach Pampow (MV) geführt zu werden.

Kommissar Zufall hilft

Bekannt geworden war die Veranstaltung in Rossow bereits am 29. Dezember. Ein Polizeibeamter außer Dienst, der seinen Hund Gassi führte, soll auf die Kolonne aufmerksam geworden sein und daraufhin die Kollegen informiert haben. Die ehemalige Gaststätte war schnell gefunden, gehört sie doch zu den obligatorischen Kontrollobjekten der Polizei in Vorpommern, wenn es um konspirative Nazi-Konzerte geht.


Dirk Bahlmann 2009foto: ipr

Etwa 40 PKWs sollen vor Ort gezählt und Personalien erfasst worden sein. Ob Polizei wirklich alle Kennzeichen notiert hat, bleibt fraglich. Auf alle Fälle wurde die Veranstaltung nicht unterbunden. Allerdings war den Polizisten klar gewesen, dass sich unter den etwa 150 Gästen auch bekannte Nazis aus der Region befanden. Der NPDler Dirk Bahlmann aus Löcknitz soll sich als Verantwortlicher zu erkennen gegeben haben.

Da es sich um eine private Feier handelte, so eine Sprecherin des Innenministeriums gegenüber dem Nordkurier, hatte die Polizei keine Handhabe, die Party aufzulösen - zumal es keine Hinweise auf Straftaten gegeben habe.

Das Publikum

Gegenrede.info weiß von Kfz-Kennzeichen aus Bayern, Niedersachsen, Hamburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, von Wagen, deren HalterInnen in Potsdam, Oranienburg, Schwedt, Angermünde und Prenzlau wohnen. Darunter Personen, die mit dem Oranienburger Nazi-Band-Projekt "Autan" und der Gothaer Rechtsrockband SKD - "Sonderkommando Dirlewanger" in Verbindung gebracht werden können. "Autan" schließen Sicherheitskreise in Brandenburg aus. Bleibt noch SKD, die bisher wegen ihrer Unterstützung für den im NSU-Prozess angeklagten Ralf Wohlleben aufgefallen waren. Dadurch entstand die Vermutung, dass es sich am 29. Dezember um ein Benefizkonzert für den NSU-Unterstützer gehandelt haben könnte.


Flagge des 3. Reichesfoto: ipr

Die Unwissenden, …

Die Vermieterin des Gebäudes, Ines Riemer, erklärte gegenüber dem Nordkurier: "Den Mietvertrag unterschrieben hat Dirk Bahlmann, er wollte eine private Geburtstagsfeier geben." Ein Problem damit, den Raum ausgerechnet an Bahlmann zu vermieten, so der Nordkurier weiter, hatte sie nicht. Dirk Bahlmann führt die NPD in Löcknitz an, sitzt für die rechtsextreme Partei im Kreistag und im Gemeinderat von Löcknitz und hat mit gegenrede.info seine eigene Geschichte. Spätestens bei dem Wort "Geburtstagsfeier" hätte es bei der Vermieterin klingeln müssen.

Ines Riemer verteidigt im Nordkurier ihren Ehemann, einen Beamten des Zollamtes Neubrandenburg: "Mein Mann hat damit nichts zu tun." Torsten Riemer äußerte gegenüber dem Nordkurier, dass die Vorwürfe gegen seine Person unberechtigt seien. "Ich wusste von nichts, war an dem Abend nicht einmal selber vor Ort." Die Vermietung der Räumlichkeiten in der ehemaligen Rossower Gaststätte sei Sache seiner Frau, so Riemer weiter im Nordkurier.

… die doch mehr wussten

Laut Recherchen von gegenrede.info besichtigten zwei Beamte der "Mobilen Aufklärung Extremismus" (MAEX) am Vormittag des 30. Dezember das Gebäude in Rossow. Dabei sollen sie in einem etwa 450 Quadratmeter großen mit vier raumhohen Flaggen des "Dritten Reiches" geschmückten Saal auf drei Personen getroffen sein. Es soll sich dabei um das Ehepaar Riemer und einen Sohn des Paares gehandelt haben. Die drei sollen die MAEX–Beamten in "aggressiver Weise" des Grundstückes verwiesen haben. Ein Vorgang, den der Pressesprecher des Polizeipräsidiums in Neubrandenburg, Andreas Scholz, nicht kommentieren wollte. Er verwies stattdessen auf ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, das in diesem Zusammenhang von der Staatsschutzabteilung in Anklam geführt wird.


screenshot: ipr

So ganz ahnungslos wie sich das Ehepaar Riemer gegenüber dem Nordkurier gegeben hat, dürfte es also nicht gewesen sein. Torsten Riemer meldete sich gestern Abend auf seinem Facebook-Profil zu Wort. Er schreibt von einer "öffentlichen Hetzjagt gegen die Familie und Gleichstellung mit dem NSU Prozess".



Ihre Meinung

zurücknach oben