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news >> 2021 >> 210415_01

15.04.2021

Präzedenzfall vor dem Verwaltungsgericht

KZ-Außenstelle auf dem Gutshof: Keine Entschädigung bei Enteignung

Potsdam (ipr) Am vergangenen Donnerstag wollten die Erben von Bernd Graf von Arnim vor dem Verwaltungsgericht in Potsdam die Rückzahlung von Ausgleichsleistungen verhindern, die im Jahre 1999 für die Enteignung des Gutes Zichow in der Uckermark an sie gezahlt worden waren. Das misslang gründlich. Das Gericht lehnte die Anträge der vier Erben-Parteien ab.

Vorgeschichte

2015 wurde das ehemalige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen darüber informiert, dass sich auf dem Gut Zichow ein Außenlager des KZ Ravensbrück befunden haben soll. Daraufhin nahmen die MitarbeiterInnen des Amtes Ermittlungen auf. Es wurden verschiedene Archive und auch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück um Unterstützung und Übermittlung vorhandener Informationen gebeten.

Nach Auswertung der übersandten Unterlagen hat das zwischenzeitlich zuständig gewordene brandenburgische Ministerium der Finanzen den 1999 erlassenen Bescheid über die Gewährung einer Ausgleichsleistung aufgehoben und die damaligen Antragsteller beziehungsweise deren Rechtsnachfolger zur Rückzahlung der erhaltenen Ausgleichsleistung in Höhe von 104.303,54 Euro aufgefordert.

Aufhebungsgrund war, dass der damalige Eigentümer des Gutes, Bernd Graf von Arnim, durch die auf dem Gut erfolgte Beschäftigung von KZ-Häftlingen des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück nach Auffassung des Finanzministeriums gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne des § 1 Absatz 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes verstoßen hat.

Gegen diese 2017 erlassenen Bescheide hatten die vier Verfahrensbeteiligten beim Verwaltungsgericht Potsdam geklagt.

Die Erörterung

Das Gericht hat im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen § 1 Absatz 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes kein Urteil gefunden, bei dem es explizit um die Beschäftigung von KZ-Häftlingen ging. Bisher hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Zwangsarbeit und der Arbeit von Kriegsgefangenen beschäftigt und dabei immer geurteilt, dass die bloße Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie von Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkriegs nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstößt. Es musste zusätzlich nachgewiesen werden, dass sie im Unternehmen menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen waren.

Genau darauf hat sich die Klägerseite berufen. Sie haben behauptet, dass es den Frauen auf Gut Zichow sogar besser ging als im Stammlager. Sie haben dafür allerdings keine Belege vorlegen können. Eine der Klägerinnen, Annabel de Beauregard, äußerte sich im Februar gegenüber dem Vorabendmagazin "Brandenburg Aktuell" zu ihrer Einschätzung der Arbeitsbedingungen. Sie schrieb: "Die Arbeiten, die sie leisteten, waren in jenen Jahren in der Landwirtschaft normal und blieben es bis Ende der 1950er Jahre, bis zum Einsetzen der Mechanisierung. Ich selbst habe als Kind z.B. in den Herbstferien (Kartoffelferien) von früh bis spät tagtäglich Kartoffeln "gebuddelt", zusammen mit anderen Kindern und deren Müttern. Und wir waren fröhlich, es wurde erzählt und gelacht. Alle Arbeiten wurden von Hand ausgeführt: Kartoffeln pflanzen, hacken, Rüben verziehen, Erntearbeiten, Mist streuen usw. usw. Ich kenne alle diese Arbeiten nur zu gut aus meiner Kindheit. Sie waren normal." Vor Gericht wiederholte sie das allerdings nicht.

Es gibt leider keine Unterlagen, die erklären, wie es zum Einsatz der Häftlingsfrauen auf Gut Zichow kam. Der Hauptteil der vorhandenen Unterlagen besteht aus der Korrespondenz zwischen Außenlager und Stammlager.

Die Sache der SS

Das zweite gewichtige Argument der Kläger: Die SS und nicht der Gutsbesitzer waren verantwortlich für die Behandlung der Frauen.

Das Gericht hat dem entgegengehalten, dass eine Außenstelle eines Konzentrationslager auf dem Betriebsgelände ausreiche, um einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit festzustellen. Auch damals sei bekannt gewesen, dass KZ-Insassen der Willkür unterworfen waren. Der Gutsbesitzer habe sich der SS und der KZ-Häftlinge bedient, um den Landwirtschaftsbetrieb fortzuführen und Gewinne zu erwirtschaften.

Das Gericht hat hier auch die Besonderheit gesehen, dass die SS das Außenlager führte. Es habe aber Schnittstellen gegeben, so das Gericht. Die Arbeit der Frauen musste angeleitet, die Essensversorgung musste sichergestellt und die Unterkunft musste vom Gut gestellt werden.

Es gibt keine Unterlagen, die darauf hinweisen, dass die Gutsleitung an diesen Schnittstellen etwas positives bewirkt haben. Knapp die Hälfte der Frauen musste aufgrund der hohen Arbeitsbelastung ausgewechselt werden. Die Kleidung war unzureichend und musste von der Außenlagerverwaltung nachgefordert werden. Die Unterkunft der Frauen, ein Speicher, blieb im Winter ungeheizt.

Vertrauensschutz

Ein weiter wichtiger Aspekt ist der Vertrauensschutz. Die BürgerInnen müssen darauf vertrauen können, dass eine Behördenentscheidung korrekt ist. Außerdem habe man das Geld, das man vor 20 Jahren erhielt, längst ausgegeben. "Wofür?", wollte das Gericht wissen. Nach einigem hin und her erklärte ein Klagevertreter, dass man das Geld regelmäßig zur Erhöhung des Lebensstandards genutzt hat.

Die Entscheidung

Nach etwa zwei Stunden Beratung hat dass Gericht geklärt, dass die Anträge des Klägerseite abgelehnt werden. Damit hat der Aufhebungsbescheid des Brandenburgischen Finanzministeriums bestand. Eine Revision wird nicht zugelassen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, müssen die Erben oder deren RechtsnachfolgerInnen das Geld zurückzahlen.

Nachtrag

Der Gutsbesitzer Bernd Graf von Arnim war seit Ende der 1930er Jahre Mitglied der NSDAP. Auf die Frage nach möglichen Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit bei der Antragsstellung für die Entschädigungsleistung haben die Erben alle mit "nein" geantwortet. Sie hätten auch "weiß ich nicht" ankreuzen können.



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