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news >> 2008 >> 080806_01

06.08.2008

Potzlow-Täter Sebastian F. erneut zu Haftstrafen verurteilt

Seine Botschaft kommt mit der Faust

Prenzlau (ipr) Gestern wurde der Templiner Sebastian F. nach zwei Prozesstagen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und zwei Körperverletzungen vom Amtsgericht Prenzlau zu zwei Haftstrafen von insgesamt 29 Monaten verurteilt. 2003 war Sebastian F. als einer der drei Täter des bestialischen Mordes an Marinus S. in Potzlow verurteilt worden.

„Sie sind eine tickende Zeitbombe!“ Dieser Satz – gemünzt auf den 23-jährigen Sebastian F. – wurde innerhalb einer Woche bereits zwei Mal ausgesprochen. Das erste Mal kam er aus dem Mund eines Templiner Polizeibeamten. Das zweite Mal war es der Schlusssatz in der mündlichen Begründung des Prenzlauer Strafrichters, warum Sebastian F. keine günstige Sozialprognose habe und deshalb die Aussetzung der Strafe zur Bewehrung nicht in Betracht zu ziehen sei.

Drei Gründe nannte Richter Olaf Zech: unbändiger Alkoholkonsum, ständige Gewaltbereitschaft und eine unverbesserliche rechte Gesinnung. Damit umriss er gleichzeitig knapp die traurigen Lebensumstände des Angeklagten.

Sebastian F. betrat in Handschellen und seinem „Lonsdale“-Look – diesmal war es ein blaue Kapuzenjacke - flankiert von zwei Wächtern den Gerichtssaal. Die mussten ihm gleich vor einem aufdringlichen Fotografen schützen.

Mit dem grausigen Mord in Templin an einem 55-jährigen Arbeitslosen durch zwei Templiner Nazis in der letzten Woche, war der zweite Prozesstag stärker ins öffentliche Interesse gerückt und einige JournalistINNen schmückten die Zuschauerstühle.

Sebastian F. war allein. Welche Verletzungen hatte es in der Vergangenheit gegeben? Weder die Mutter seines 5-jährigen Sohnes noch die Eltern oder die Geschwister wollten Zeit haben für diesen Gerichtstermin. Dabei erzählt der Vater manchmal, dass er all seine Jungs ordentlich groß gezogen hat. Den scheint er vergessen zu haben.

Und seine Clique? Jene fünf oder sechs Mann, die dabei standen als er am 15. September letzten Jahres die Hacken zusammenschlug, den rechten Arm zum Hitlergruß streckte und etwas für die Zeugen unverständliches rief. Die gemeinsam mit ihm hinter dem 44-jährigen Altpunk und den beiden Frauen herhetzen, die in dessen Begleitung waren? Wo war denn der Held, der dem Punk den Rucksack entriss und in die Kniekehlen schleuderte, dass er zu Fall kam. Schon war Sebastian F. über ihm und konnte ihm zwei Hiebe mit der Faust verpassen. Keine Ehre, keine Treue.

Wo blieb denn jener Fahrer des Opel Corsa, für den Sebastian F. am 10. Januar diesen Jahres an der Templiner Aral-Tankstelle an das Auto von Michel N.(20) herantrat, ihn mit Gesten überzeugte, die Seitenscheibe herunterzulassen, um dem dann ohne Vorwarnung die Faust an die Schläfe zu donnern. „Lass die Finger von Julia!“ soll F. danach gerufen haben. Als Michel N. erklärte, er kenne einige Julias und zu erkennen gab, er will hier gar nicht den Romeo spielen, bekam er den zweiten Hieb an die Schläfe. Da gab er klein bei und verzichtete auf Julia, ohne zu wissen, um wen es eigentlich ging.

Wäre es dabei geblieben, hätte sich Sebastian F. 14 Monate Haft erspart. Aber nein, er musste mit den beiden Kumpels im Auto hinter seinem Opfer her, musste ihn verfolgen. Und als eine Freundin in das Auto von Michael N. stieg, mussten die drei den Wagen bedrängen. Verfolgen, bedrängen, sich weiden an der Angst der beiden Opfer vor ihnen. Michel N., der eigentlich nur seine Ruhe haben wollte, den ganzen Kram mit der Polizei vermeiden wollte, wusste in seiner Not keinen anderen Rat mehr. Die Freundin rief per Handy nach der Polizei. Eine Tat, nicht rechts aber extrem.

Das Scharnier zwischen den beiden Verhandlungstagen war der Templiner Polizist F. Er war im Einsatz als Sebastian F. vor der Maria-Magdalenen-Kirche auf den Punk einschlug und versuchte zu fliehen als die Polizei heranrückte. Und er saß in dem Polizeiwagen, der die Verfolgung des davonbrausenden Opel Corsas aufnahm und die drei Menschenjäger stellte. Leider hatte er nicht die Sprachkraft zu schildern, was für eine Stimmung vor der Kirche herrschte als die Polizei den rechten Mob vertrieb, in welcher Laune sich drei Corsa Insassen befanden, als er mit seinem Kollegen in den Wagen blickte.

Sebastian F. schwieg fast während des gesamten Prozesses. Nur einmal brach es aus ihm heraus. Als ein vermeintlicher Kamerad im Zeugenstand aussagte, dass er gesehen habe wie Sebastian F. zwei Mal zuschlug, protestierte er: „Was will der von mir? Ich kenn den gar nicht!“ Der Rest war Schweigen.

Dieses Schweigen machte es dem Anwalt schwer, überhaupt einen Ansatzpunkt für mildernde Umstände zu finden. Und er konnte nur an das Gericht appellieren, das Strafmaß nicht zu hoch ausfallen zu lassen.

Staatsanwältin Petra Döring hatte leider recht als sie formulierte: „Der Angeklagte hat mit der Rechtsordnung nichts am Hut und setzt lieber sein eigenes Gewaltrecht ein.“ Richter Olaf Zech verhängt gegen den 23-Jährigen zwei Strafen: Wegen Verwendens von NS-Kennzeichen und zwei Fällen von Körperverletzung wird er zu 15 sowie 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Dazu kommt noch das Restjahr seiner Potzlow-Strafe, für das die Bewährung aufgehoben wurde. Seit März sitzt Sebastian F. bereits wieder im Gefängnis. Noch weitere drei Jahre könnte Sebastian F. weggesperrt sein. Nur, was bringt es? Die Bombe tickt weiter.

Bericht über den ersten Prozesstag

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